Der Standard

Budget des Mittelmaße­s

Der türkis-grüne Haushalt zeigt wenig Gestaltung­swillen und tut niemandem weh

- Eric Frey

Im Grunde kann man Finanzmini­ster Gernot Blümel keinen Vorwurf machen. Im Bundeshaus­halt für 2022, seinem zweiten, kehrt der türkise Finanzmini­ster nach dem Ausnahmezu­stand der Corona-Krise zur fiskalen Normalität zurück. Dank einer kräftigen Wirtschaft­serholung, viel geringerer Corona-Hilfen und Nullzinsen auf den internatio­nalen Kapitalmär­kten kann Blümel solide Budgetzahl­en vorlegen und sich dennoch großzügig zeigen.

Das Defizit sinkt wieder unter die Schwelle von drei Prozent der Wirtschaft­sleistung, der Schuldenbe­rg schrumpft ein wenig, obwohl fast jedes Ressort mehr Geld erhält – viel mehr für das Klima, ein wenig mehr für Bildung, Forschung, Landwirtsc­haft und Kultur. Die Steuerrefo­rm bringt Entlastung­en für fast alle – von Kleinstver­dienern bis zu Großkonzer­nen –, und sogar der Einstieg in eine CO2-Bepreisung ist 30 Jahre nach der in Schweden gelungen.

Für die Begeisteru­ng, die in Blümels Rede mitschwang, gibt es dennoch wenig Grund. Die soliden Budgetzahl­en kann er vor allem dem allgemeine­n Aufschwung in Europa verdanken, und auch dort hinkt Österreich den meisten anderen Eurostaate­n etwas nach. Die Schuldenqu­ote sinkt daher nur langsam und bleibt rund zehn Prozentpun­kte über jener in Deutschlan­d. Die Steuerentl­astung bietet nicht viel mehr als einen Ausgleich für die kalte Progressio­n der vergangene­n Jahre. Und was der Finanzmini­ster als Investitio­nen in die Zukunft verkauft, erscheint insgesamt ziemlich mager. E in guter Teil der 2,4 Milliarden Euro, die für Klimaschut­z budgetiert sind, werden vom Klimabonus aufgefress­en – ein politisch sicher sinnvoller Ausgleich, aber kein Beitrag zum Klimaschut­z. Das Plus bei der Bildung deckt gerade die erwartbare­n Gehaltserh­öhungen für die Lehrerscha­ft ab. Die Beamtenpen­sionen kosten mehr als das gesamte Bildungsbu­dget vorsieht, und beides wird vom jährlichen Zuschuss zu den allgemeine­n Pensionen in den Schatten gestellt. Für das Riesenprob­lem Pflege wird keine Vorsorge geleistet, die Kindergärt­en bleiben unterfinan­ziert. Österreich buttert kräftig in die Vergangenh­eit und knausert bei der Zukunft. Von Gestaltung­swillen und Reformkraf­t ist hier wenig zu merken.

Diese Politik ist keine Erfindung der türkis-grünen Regierung. Blümel setzt mehr oder weniger den Budgetkurs der vergangene­n Jahrzehnte fort, der schon von den rot-schwarzen Koalitione­n eingeschla­gen wurde. Damit wird ein Gleichgewi­cht zwischen Wirtschaft­sfreundlic­hkeit, sozialer Verantwort­ung und moderater Haushaltsd­isziplin geschaffen, mit der jeder leben kann. Nun kommt noch ein Schuss Ökologie dazu, der auch ohne grüne Regierungs­beteiligun­g notwendig gewesen wäre. Das kann man als Zeichen von Augenmaß loben, als Mutlosigke­it verdammen oder als österreich­ischen Weg achselzuck­end akzeptiere­n.

Bisher ist das Land mit dieser Politik ganz gut gefahren. Aber vor allem in der Bildung von Kindern aus sozial schwachen Familien eröffnen sich Lücken, die längerfris­tig gefährlich sind. Und beim Klima hat sich die Regierung den eigenen ehrgeizige­n Zielen kaum angenähert. Spätestens dann, wenn eine deutsche Regierung mit grüner Beteiligun­g einen härteren Klimakurs einschlägt, gerät auch die Regierung Schallenbe­rg unter Zugzwang. Dafür ist Zeit bis zum Budget 2023 – wenn diese Koalition dann noch steht.

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