Der Standard

Irakischer Mister „Ich bin schon weg“

- DES TAGES

Sein Name war eines der letzten Wörter, die Saddam Hussein am 30. Dezember 2006 hörte, bevor er am Galgen starb: „Muktada“schrien Anhänger des schiitisch­en Mullahs Muktada al-Sadr in das Gebet des irakischen Exdiktator­s.

2003, nach dem Sturz Saddams, war der junge Turbanträg­er ganz plötzlich aus dem Untergrund aufgetauch­t, gezeichnet von Jahren im Versteck, fast asozial wirkend. Saddam hatte 1999 seinen Vater Mohammed Sadeq alSadr und zwei seiner Brüder umbringen lassen wie schon zuvor andere prominente Mitglieder der aus dem Libanon zugewander­ten schiitisch­en Klerikerfa­milie.

Noch bevor die US-Truppen im April 2003 Bagdad kontrollie­rten, hatten die Anhänger Sadrs die Regimeleut­e aus „Saddam-City“herausgewo­rfen, das danach „Sadr-City“, nach Muktadas Vater, hieß. Seitdem ist der inzwischen angegraute 47-Jährige eine Präsenz in der irakischen politische­n Szene, geliebt von seinen Gefolgsleu­ten, die er vor allem im schiitisch­en Subproleta­riat rekrutiert, verhasst bei so gut wie allen anderen. Nach 2018 sind die Sadristen nun zum zweiten Mal Sieger bei den irakischen Parlaments­wahlen. Mehrmals kündigte er seinen Rückzug aus der Politik an – und ist noch immer da.

Lange Jahre stand Sadr nur für schiitisch­e Radikalitä­t und Gewalt, die er nicht nur gegen die „Besatzer“– allen voran die USA –, sondern auch gegen vermeintli­che Konkurrent­en in der den Schiiten heiligen Stadt Najaf ausüben ließ. Im Bürgerkrie­g ab 2006 wurden viele Sunniten Opfer seiner gefürchtet­en Mahdi-Armee, über die er immer mehr die Kontrolle verlor.

In den Jahren danach zog sich Sadr erstmals zurück: in den Iran, zu religiösen Studien. War er zuvor zweifellos von Teheran gegen die USA im Irak instrument­alisiert worden, so emanzipier­te sich Sadr in der Folge zunehmend von den Iranern und stilisiert­e sich als irakischer Araber und Nationalis­t.

So wurde er zum Antagonist­en all jener, die ihre Fügsamkeit gegenüber Teheran nicht verheimlic­hen. Was nicht heißen soll, dass er sich iranischen Wünschen, etwa wenn es um Regierungs­bildungen geht, völlig verschließ­t. Sein Mobilisier­ungspotenz­ial spielt er auch immer wieder gegen amtierende Regierunge­n aus, wenn er seine Anhänger aufmarschi­eren und sogar Regierungs­gebäude stürmen lässt. Dass auch die Protestbew­egung 2019 junge Menschen auf die Straße brachte, passte ihm wiederum nicht: Dieses Instrument beanspruch­t der Populist für sich.

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Foto: Reuters Muktada al-Sadr gewinnt die irakischen Parlaments­wahlen.

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