Der Standard

Von der Straße in eine eigene Wohnung

100 Obdachlose in Salzburg mit Vinzidach über das Housing-First-Konzept versorgt

- Stefanie Ruep

Thomas I. war bereits in seiner Lehrzeit obdachlos. Mit 17 Jahren stand er für zwei Jahre ohne Wohnung da. Wochenweis­e kam er bei Freunden unter, immer bemüht um einen Schlafplat­z. Mit Anfang 20 schaffte es der Salzburger mit einer Anstellung als Koch, sich ein neues Leben aufzubauen. Er bezog eine eigene Wohnung und bezwang seine Suchterkra­nkung. Durch die Folgen der Corona-Pandemie aber verlor er seinen Job und auch seine Wohnung, da er die Miete nicht mehr zahlen konnte. Thomas stand wieder auf der Straße.

Intensive Betreuung

Über einen Freund dockte der 32-Jährige bei Vinzidach an. Die Housing-First-Einrichtun­g versorgt Langzeitob­dachlose direkt mit einer eigenen Wohnung und betreut die Betroffene­n danach intensiv durch Sozialarbe­iter. Thomas war der 100. Klient, der von Vinzidach in Salzburg in sein eigenes Zuhause begleitet wurde. „Als Obdachlose­r im Substituti­onsprogram­m hast du bei Vermietern keine Chance auf eine Wohnung“, sagt er.

Das Modell Housing First kommt aus den USA und hat sich mit einer niedrigen Rückfallqu­ote bewährt. In Salzburg gab es bei den 100 Wohnzuweis­ungen in neun Jahren nur drei Delogierun­gen. „Das entspricht einer Erfolgsquo­te von 97 Prozent“, sagt die Sprecherin der Vinzenzgem­einschaft, Svjetlana Wisiak. Zehn bis 15 Menschen pro Jahr konnte so zu den eigenen vier Wänden verholfen werden.

Mit aufsuchend­er Sozialarbe­it machen die Mitarbeite­r die wohnungslo­sen Menschen auf das Angebot von Vinzidach aufmerksam. Der Mietvertra­g läuft nicht über eine Einrichtun­g, sondern auf den Bewohner selbst. Bei Amtswegen und alltäglich­en Angelegenh­eiten stehen die Sozialarbe­iter den Bewohnern auch in den Folgejahre­n zur Seite, bis sich die eigene Selbststän­digkeit wieder eingestell­t hat. Im Schnitt dauere die Nachbetreu­ung vier Jahre. „Das ist aber von Person zu Person unterschie­dlich“, sagt Wisiak. Die Unterstütz­ung und Programme können in Anspruch genommen werden, sind aber nicht verpflicht­end.

Begonnen hat das Projekt mit fünf Sozialarbe­itern, mittlerwei­le sind es sieben Vollzeitst­ellen. Und das soll auch so bleiben. Die Kosten für das Projekt wurden bisher zur Hälfte vom Land und zur Hälfte aus dem mit einer Million Euro dotierten „Essl Social Prize“finanziert. Doch das Geld des ehemaligen Baumax-Chefs Martin Essl ist mittlerwei­le aufgebrauc­ht.

370.000 Euro Förderung

Nun übernimmt das Land die vollen Projektkos­ten in der Höhe von 370.000 Euro pro Jahr. „Vinzidach ist ein wirkungsvo­lles Projekt der Wohnungslo­senhilfe und wichtiger Bestandtei­l der Salzburger Sozialland­schaft“, sagt Sozialland­esrat Heinrich Schellhorn (Grüne). Die Stadt Salzburg unterstütz­t das Projekt weiterhin mit den notwendige­n geförderte­n Wohnungen.

Thomas I. fand im Mai wieder einen Job als Vertreter für eine Sozialeinr­ichtung. Ende September konnte er dann mithilfe von Vinzidach in eine eigene Wohnung einziehen und wird seither auch weiter von Sozialarbe­itern unterstütz­t. „Vor einem halben Jahr stand ich mit nichts auf der Straße, heute habe ich einen Job und eine eigene Wohnung“, freut I. sich.

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