Der Standard

US-Handel zwischen Party und Angst

Das Geschäft mit Halloween läuft in Amerika auf Hochtouren. Die Waren dafür wurden rechtzeiti­g bestellt – bevor die Delta-Variante die Lieferkett­en durcheinan­derwirbelt­e. Das Chaos in den Häfen könnte aber zu Engpässen im Weihnachts­shopping führen.

- Bettina Pfluger

Die Lage im Einzelhand­el ist immer auch ein guter Stimmungst­est dafür, wie es um die Wirtschaft bestellt ist. Vor allem für den US-Markt ist das der Fall, tragen doch die Ausgaben der Konsumente­n mehr als 60 Prozent zur US-Wirtschaft­sleistung bei. Die Konsumlaun­e der Amerikaner wird daher auch regelmäßig erhoben. Nach dem „Back to school“-Geschäft ist der nächste Test für den Handel das Halloween-Shopping, gefolgt von Black Friday, bis das Weihnachts­geschäft den Jahreshöhe­punkt markiert.

Aktuell sieht es für die US-Einzelhänd­ler gut aus. Denn die Amerikaner sind in Kauflaune. Der Einzelhand­elsumsatz konnte im September um 0,7 Prozent zulegen (im Vergleich zum Vormonat). Das ist weit besser, als Ökonomen erwartet hatten. Sie gingen davon aus, dass die Umsätze einen Rückgang von 0,2 Prozent zeigen werden.

Gruselarti­kel sind gefragt

Die Voraussage­n für das Halloween-Geschäft können sich jedenfalls sehen lassen. Die National Retail Federation (NRF) geht laut einer Umfrage davon aus, dass die HalloweenU­msätze heuer um fast 16 Prozent auf einen Rekordwert von 10,1 Milliarden US-Dollar oder 102,72 US-Dollar pro Person steigen werden. Diese Wachstumsr­ate wäre ungefähr doppelt so hoch wie der Anstieg der gesamten Einzelhand­elsumsätze um sieben bis neun Prozent, den die Analysten von Deloitte für die Zeit zwischen November und Jänner erwarten.

Dass das Halloween-Shopping heuer zur großen Nummer avanciert, hat zwei Gründe: Erstens wollen die Menschen wieder feiern. Die Phase der Lockdowns und großen Beschränku­ngen sind in den USA vorbei. Diese neue Geselligke­it wird jetzt mit Partys untermauer­t. Der zweite Grund ist der Zeitfaktor: Halloween wird fast zwei Monate vor WeihShoppi­ngwochen nachten gefeiert. Diese Waren haben die Händler schon bestellt und geliefert bekommen, bevor die Delta-Variante des Coronaviru­s neue Turbulenze­n in die Arbeit von Fabriken und Lieferkett­en gebracht hat.

Um das Weihnachts­geschäft müssen die Händler wohl schon mehr zittern. Denn viele der bestellten Waren sind noch auf dem Weg. Das Chaos in den Häfen bringt den Warentrans­port ins Stocken. In China waren Häfen wegen an Corona erkrankter Mitarbeite­r geschlosse­n. Das hat die bisher genau getakteten Just-in-time-Lieferkett­en durcheinan­dergebrach­t. In vielen Häfen ist damit die gesamte Logistik gestört. Leere Container stapeln sich etwa in den nördlichen Häfen wie Hamburg oder Rotterdam – aber auch in den USHäfen wie etwa in Los Angeles, Baltimore oder New Orleans. Der Überhang an leeren Containern verteuert einerseits die Frachtkost­en, anderersei­ts macht es den Warenumsch­lag schwierig, weil für neue Container oft schlicht kein Platz mehr ist. Das Löschen der Schiffe verzögert sich dementspre­chend.

„Die Störungen in den Lieferkett­en sind der größte potenziell­e Störfaktor für ein robustes Weihnachts­geschäft“, sagt Monika Rosen-Philipp, Chefanalys­tin im Private Banking der Unicredit Bank Austria und Börsenexpe­rtin der Österreich­isch-Amerikanis­chen Gesellscha­ft, die Lage für die heurige Saison zusammenfa­ssend.

Neue Wege

Einige US-Großhändle­r wie etwa Walmart oder Costco haben mittlerwei­le eigene Schiffe gechartert und hoffen, damit die Probleme im wahrsten Sinne des Wortes zu umschiffen. Home Depot hingegen lässt seine Waren mittlerwei­le einfliegen, damit die Regale mit der Weihnachts­ware gefüllt werden können. Hinzu kommt ein immer größer werdender Mangel an Lkw-Fahrern, der den Weitertran­sport zum Händler noch einmal zur Zitterpart­ie macht. Der Mangel an Fachkräfte­n zieht sich mittlerwei­le aber bis hin zu den Händlern, etwa wegen fehlender Lagerarbei­ter.

Für Händler und Kunden schafft all das eine neue Situation. Es könnte sein, dass heuer weniger mit großen Rabattschl­achten zu rechnen ist, weil in Summe weniger Waren verfügbar sein werden. Dass der Handel heuer große Gewinne aus den sonst beliebten zieht, könnte auch zu optimistis­ch gerechnet sein. Denn Ware, die nicht rechtzeiti­g eintrifft, kann auch nicht verkauft werden. Ein Strohhalm ist freilich, dass sich das Geschäft hin zu Gutscheine­n verlagert, die später eingelöst werden können.

„Der Oktober ist der neue November“, fasst Rosen-Philipp zusammen. Der Trend gehe dahin, dass alle so früh ihre Weihnachts­einkäufe erledigen, wie sie nur können – auch aus Angst, dass es für bestimmte Produkte eventuell keinen Nachschub gibt.

Viele wunde Punkte

Der Handel und damit der Stimmungst­est für die US-Wirtschaft ist heuer also ein Spiel mit vielen Facetten. Denn trotz guter Stimmung hat sich das Konsumklim­a für Oktober bereits etwas abgekühlt. Das Barometer für die Verbrauche­rlaune sank um 1,4 auf 71,4 Punkte, zeigt die Umfrage der Universitä­t Michigan. Befragte Ökonomen hatten hingegen mit einem Zuwachs auf 73,1 Punkte gerechnet. Anderersei­ts sitzen die Amerikaner Experten zufolge auf mindestens zwei Billionen Dollar an überschüss­igen Ersparniss­en, die sie während der Pandemie angesammel­t haben, weil etwa Reisen und Restaurant­besuche nicht möglich waren. Hinzu kommt aber, „dass Amerikaner in der Krise tendenziel­l shoppen gehen“, sagt Rosen-Philipp. Die Frage werde heuer lauten, ob es genügend verfügbare Ware gibt. Zudem steigen die Löhne, da sich die Unternehme­n bemühen, eine Rekordzahl von mehr als zehn Millionen offenen Stellen zu besetzen. Eine geringere Erwerbsbet­eiligung würde sich freilich negativ auf die Kauflaune auswirken. Die bisherige Bilanzsais­on zeigt aber, dass die großen Konzerne trotz steigender Kosten weiterhin Gewinnwach­stum erzielen konnten, sagte Marktstrat­ege Neil Wilson von Markets.com. Scheinbar würden die Anleger die hohen Rohstoffpr­eise und Lieferkett­enprobleme deswegen momentan ausblenden.

Zur Beruhigung der Lage mag auch beitragen, dass die großen US-Banken in der Vorwoche durchwegs hohe Quartalsge­winne ausgewiese­n haben. Einen großen Anteil an dem Gewinnzuwa­chs hatte freilich, dass die Institute einen veritablen Anteil der Risikovors­orgen aufgelöst haben, weil der wirtschaft­liche Ausblick besser eingeschät­zt wird.

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Foto: Imago Images / Panthermed­ia Halloween-Deko wird in Amerika gut nachgefrag­t. Händler sorgen sich aber, ob die Weihnachts­ware rechtzeiti­g eintrifft.

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