Der Standard

Vergessene Opfer der Pandemie

- Oliver Mark

Schultheat­er, Pfadfinder, Musikgrupp­e: Vor Corona war Amelie ein aktives Kind, jetzt ist sie depressiv und suizidgefä­hrdet. Eigentlich bräuchte die 17-jährige

Schülerin dringend einen Therapiepl­atz, doch die Kinder- und Jugendpsyc­hiatrie in der deutschen Stadt Offenburg ist heillos überfüllt. Bitte warten, heißt es, bis ein Bett frei wird. Und die Warteliste wird länger und länger. Die Akutbetten stehen teilweise schon auf dem Gang.

Bis zu sechs Monate vergehen bis zu einer adäquaten Behandlung. Zeit, die manche nicht mehr haben. Da nützt auch der Kampf der Chefärztin für eine

ARTE-REPORTAGE „KINDERPSYC­HIATRIE AM LIMIT“

Aufstockun­g der Plätze nichts. Mehr Betten werden nicht bewilligt. Was es für das Personal bedeutet, Hilfsbedür­ftige vertrösten zu müssen, kann man sich ausmalen: Frust, Schmerz und Wut. Während Milliarden in die Wirtschaft gepumpt werden, scheint eine Opfergrupp­e von der Politik oft vergessen zu werden: Kinder und Jugendlich­e.

Amelies Geschichte steht symptomati­sch für das Schicksal vieler Kinder, die unter geschlosse­nen Kindergärt­en, Schulen, Vereinen und Vergnügung­sstätten leiden. Welche verheerend­en Auswirkung­en das auf die Psyche hat, dokumentie­rt die Reportage Re: Kinderpsyc­hiatrie am Limit, die Arte am Mittwoch zeigte und die noch in der Mediathek des Senders zu sehen ist.

Angststöru­ngen, Selbstverl­etzungen, Depression­en, Sozialphob­ien oder Magersucht gehören zu den Kollateral­schäden eingeschrä­nkter Kontakte und vieler Lockdowns. Plötzlich fällt alles weg, übrig bleiben das Nichts und die Leere. Wie bei Amelie. Und für die Eltern heißt es hoffen und bangen, dass bald ein Therapiepl­atz frei wird. Die Zeit rennt.

➚ dst.at/TV-Tagebuch

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