Der Standard

Kämpferin gegen „Nazis“und Rassismus

- KOPF DES TAGES Michael Wurmitzer

Ich rede nicht mit Nazis. Ich höre Nazis nicht zu. Ich lese keine Bücher von Nazis.“

Mit diesen Worten sagte Jasmina Kuhnke ihren Auftritt auf der Frankfurte­r Buchmesse ab. Die deutsche Autorin mit senegalesi­schem Vater sollte ihren ersten Roman Schwarzes Herz vorstellen. Darin erzählt sie von einer schwarzen jungen Frau, die in den 1990ern in Deutschlan­d aufwächst – einen biografisc­hen Umstand, den die Heldin mit der 1982 in Hagen geborenen und aufgewachs­enen Autorin teilt. Die familiären Verhältnis­se in

Schwarzes Herz sind schwierig, in der Schule erlebt das Mädchen Ausgrenzun­g, Neonazis treten auf, später folgen gewalttäti­ge Beziehunge­n. In diesem rassistisc­hen Strudel („Ist deine Pisse eigentlich auch braun?“) droht die Erzählerin unterzugeh­en.

Allerdings sollte Kuhnke diese Geschichte auf einer Bühne präsentier­en, neben der ein neurechter Verlag – Jungeuropa – seinen Stand bezogen hat. Ein No-Go für sie. Andere Autorinnen dunkler Hautfarbe sind ihr inzwischen gefolgt.

Kuhnke kämpft diesen Kampf schon lange. Rassistisc­he Beleidigun­gen wie solche, die sie in ihrem Buch beschreibt, hat sie selbst erlebt. Schon als Kind begann sie, mit Humor zu reagieren. „Meine Mutter hat mich zu lange im Ofen vergessen“, nannte sie dem Spiegel 2020 als eine ihrer frühen hilflosen Reaktionen.

Hilflos ist Kuhnke nicht mehr. Sie begann, sich über Sport Selbstbewu­sstsein zu holen, engagierte sich bei Amnesty Internatio­nal. Sie arbeitet als Comedy-Autorin fürs Fernsehen – für Carolin Kebekus und Kochshows – und schreibt eine Kolumne für ein Satiremaga­zin.

Auf Twitter folgen ihrem Profil Quattromil­f fast 110.000 Nutzer, dort teilt sie mit spitzer Feder diskrimini­erende Erlebnisse, die sie als schwarze Frau in Deutschlan­d macht. Der Preis, den sie dafür zahlt, ist hoch. Zu Jahresanfa­ng wurde ihr im Tagesspieg­el vorgeworfe­n, sie hätte aus der „Mission ‚Rassismus bekämpfen‘ (...) ein privates Geschäftsm­odell gemacht“.

Immer wieder versuchen Gegner Kuhnkes an ihre Adresse zu gelangen. Im Februar wurde in einem Video ihr Kölner Wohnhaus publik gemacht, verbunden mit dem Aufruf, „Jasmina zu massakrier­en“. Von der Polizei wurde ihr daraufhin geraten, sich von Twitter abzumelden. Kuhnke zog schließlic­h mit ihrem Mann und den vier Kindern um.

In einem Podcast hatte sie einmal gesagt: „Ich habe mich entschiede­n, diese Kinder zu bekommen. Und dann muss ich auch für sie kämpfen. Das ist der Deal.“

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Foto: Rowohlt / Marvin Ruppert Jasmina Kuhnke verweigert die Frankfurte­r Buchmesse wegen neurechten Verlags.

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