Der Standard

Er schreibt Briefe an Chantal Akerman

Kurzfilmpr­ogramm eins „Inheritanc­es“

- Carolin Weidner

Im Garten stehen die Flamingosk­ulpturen, drinnen gibt es feine, erdfarbene Arrangemen­ts mit vereinzelt­en Blumentöpf­en. Ist dies das Haus, in dem Patrick Cowley (1950–1982), einer der wichtigste­n Disco-Produzente­n, einst lebte?

Der britische Künstler Luke Fowler, der sich in seinen 16-mmArbeiten mit historisch­en Persönlich­keiten befasst, entwirft in unsteten, atmosphäri­schen Bildern eine Art dreidimens­ionales Gedenkbuch.

Die Küste von San Francisco, Architektu­ren, Flyer und Tickets einer längst vergangene­n Ära, ein Tonstudio, ein Universitä­tsgelände. Darüber eher klandestin­e elektronis­che Sounds, die mehr Crowleys Arrangemen­ts für den Gay-Porn-Bereich entspreche­n als Hymnen für die große Tanzfläche.

Fowlers Patrick ist der erste von sieben Beiträgen, die unter dem Titel „Inheritanc­es“(„Nachlässe“) Porträts von Künstlern und künstleris­cher Praxis sowie Spielarten von Materialit­ät zeigen.

Mit Renate in Berlin

So rauschen in Ute Aurands Glimpses from a Visit to Orkney in Summer 1995 Wiesen, Blumen, Kühe und der blaue Himmel ineinander, sitzt die schottisch­e Künstlerin und Ärztin Margaret Tait (1918–1999) an einer kleinen, aber reich gedeckten Tafel.

Aurands Besuch auf der winzigen Insel ist feierlich, freundlich und warm. Von Vertrauthe­it kündet auch ihr Film Renate. Er nimmt mit nach Westberlin, wo die Filmemache­rin und Autorin Renate Sami (*1935) lebt, an den Lietzensee, das Ziel ihrer Spaziergän­ge, oder an die Nähmaschin­e. Einmal fährt sie Rad, dann arrangiert sie einen Strauß. Renate ist das Zeugnis einer Freundscha­ft und gleichzeit­ig Ausdruck eines besonderen Herbstgefü­hls.

Apropos Herbst: Auch in Querida Chantal von Nicolás Pereda sind die Blätter bereits gefallen. Eine Frau fegt sie von einem Dach, macht das Haus fertig für einen Gast, der nicht kommen wird: Chantal Akerman (1950–2015), an die Pereda Briefe richtet.

Die Welt in Radschläge­n

Ganz Dialog ist indes Sekundenar­beiten der Österreich­erin Christiana Perschon, der eben nicht nur die über 90-jährige Malerin Lieselott Beschoner beim blitzschne­llen Anfertigen ihrer Sekundenze­ichnungen einfängt. Es gilt nämlich auch, etwa die Frage zu klären, ob Perschons Kamera männlicher oder weiblicher Natur ist. Im sehr kurzen und sehr humorvolle­n Das Rad (Friedl vom Gröller) erkundet man innere und äußere Welten dafür anhand einiger Radschläge, während es sich in Arrojalati­erra (Valentina Alvarado Matos) ungleich schneller dreht: Keramiken, geboren auf der Scheibe.

Filmmuseum, 22. 10., 16.00

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Foto: Viennale Ute Aurand, „Glimpses from a Visit to Orkney in Summer 1995“.

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