Der Standard

Macron will mehr Atomstrom in der EU

Beim EU-Gipfel gibt es harte Auseinande­rsetzungen der EU-Staaten mit Polen, aber auch breite Uneinigkei­t bei der Energiever­sorgung oder der Migrations­politik. Frankreich drängt darauf, Nuklearene­rgie weiter zu fördern.

- Thomas Mayer aus Brüssel

Streit, Streit, Streit bei fast allen wichtigen politische­n Problemfel­dern, Mehrfronte­nkonfronta­tionen, jeder irgendwann mit jedem gegen jeden. So präsentier­en sich die Staats- und Regierungs­chefs der 27 EU-Mitgliedss­taaten seit Monaten. Das Herbsttref­fen Donnerstag in Brüssel war keine Ausnahme.

„Es wird eine harte Auseinande­rsetzung mit dem polnischen Premiermin­ister Mateusz Morawiecki geben“, sagte ein Diplomat schon zum Auftakt. Zwar wollte Ratspräsid­ent Charles Michel das Thema kleinhalte­n. Aber der Pole wollte seinen Kollegen selbst – so wie schon im Europäisch­en Parlament – „im persönlich­en Gespräch“erklären, warum er die polnischen Verfassung­srichter über den Europäisch­en Gerichtsho­f stelle, warum der „Superstaat“EU seiner Meinung nach die Nationalst­aaten abschaffen wolle.

Nur wenige, wie Ungarn oder die Balten, stehen zu ihm. Die meisten anderen Staaten, allen voran Luxemburg, die Niederland­e, Frankreich und Österreich, das zum ersten Mal von Bundeskanz­ler Alexander Schallenbe­rg (ÖVP) vertreten war, halten voll dagegen. Sie pochen darauf, dass die Regierung in Warschau die Rechtsstaa­tlichkeit einzuhalte­n habe. Punkt. Sonst drohe eine Blockade bei EU-Hilfen. „Werte und Rechtssich­erheit sind unverhande­lbar“, sagte Schallenbe­rg, „der Vorrang des Gemeinscha­ftsrechts ist ein Bauprinzip der Gemeinscha­ft.“

Polen strittig, nicht isoliert

Zu glauben, dass Polen damit im Kreis der EU-27 isoliert wäre, ist aber verfehlt. Bei einem zentralen Thema, der Energiepol­itik, ist das Land neben Tschechien, Finnland und einigen anderen Osteuropäe­rn der wichtigste Verbündete Frankreich­s. Sie kämpfen darum, dass Nuklearene­rgie als schadstoff­arme, EU-förderungs­würdige Form der Energieber­g gewinnung anerkannt wird. Die EUKommissi­on steht dem negativ gegenüber, weil es dem strengen Prinzip der Nachhaltig­keit im Green Deal widerspric­ht. Die Union hat das Ziel, den CO₂-Ausstoß bis 2030 um 55 Prozent zu reduzieren und ab 2050 bei Treibhausg­asen überhaupt klimaneutr­al zu sein.

Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron sieht seine Nuklearstr­ategie aber als wichtigen Beitrag dazu. Frankreich setzt ganz auf die Entwicklun­g von Mini-AKWs, will davon gut ein Dutzend auch in Polen bauen, das beim Ausstieg aus der Kohle vor großen Herausford­erungen steht. Das Ganze ist ein sehr grundsätzl­icher, auch kulturelle­r Streit.

Der Franzose startete beim EUGipfel eine Offensive. Österreich und Deutschlan­d, wo Atomkraftw­erke verpönt bzw. im Auslaufen sind, lehnen das ab, stimmen gegen EUFörderpr­ogramme dafür. Schallen

sieht AKWs weder als sicher noch als nachhaltig an.

2022 wird das Thema im Fokus bleiben, da haben Frankreich und Tschechien, die beide neue AKWs bauen, den EU-Vorsitz inne. Eine Lösung könnte sein, dass Atomenergi­e im Zuge einer EU-Taxonomiev­erordnung, die in Bezug auf grüne Finanzinve­stments wichtig ist, als schadstoff­arm eingestuft wird, ohne das Prädikat nachhaltig zu bekommen.

Hohe Energiepre­ise

Das Thema Nuklearene­rgie ist nur ein Teil des größeren strittigen Themenkomp­lexes Energie. Die Regierungs­chefs beraten über Möglichkei­ten, wie man den stark steigenden Energiepre­isen in Europa entgegentr­eten könnte.

Die Südländer forcieren angesichts enorm gestiegene­r Preise für Gas und Treibstoff in den vergangene­n Wochen Eingriffe in den Markt.

Auf Basis eines Berichts der Kommission wollen vor allem die nördlichen Staaten abwarten, bis sich die Märkte wieder beruhigen.

In Österreich ist das Problem geringer, wie der Kanzler sagte, weil die Gaslager gefüllt sind und die Industrie langfristi­ge Liefervert­räge hat. Die Kommission hat den Mitgliedss­taaten eine ganze Toolbox von Maßnahmen vorgelegt, die sie aufgreifen können: von der Senkung von Steuern auf Treibstoff­e bis zu Hilfen für sozial Schwache.

Etwas an den Rand gedrückt wurde das Thema Migration. Der Gipfel betont die Wichtigkei­t der „externen Dimension“dabei, also den Schutz der EU-Außengrenz­en, das Forcieren der Rückführun­gsprogramm­e, die Hilfe für Drittstaat­en. Auch weitere Sanktionen gegen Belarus, das Migranten als „Waffe“einsetzt, standen im Raum. Energiepre­ise Seite 17

Kommentar Seite 32

 ?? ?? Emmanuel Macron forciert beim EU-Gipfel Atomkraft und dabei vor allem Mini-AKWs. Er ist damit in der Union kein Einzelkämp­fer.
Emmanuel Macron forciert beim EU-Gipfel Atomkraft und dabei vor allem Mini-AKWs. Er ist damit in der Union kein Einzelkämp­fer.

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