Der Standard

Hanger holt aus

ÖVP-Mann Andreas Hanger ist wieder ausgerückt. Wegen ihrer Empörung über die Inseratena­ffäre wirft er den Sozialdemo­kraten „Scheinheil­igkeit“vor. Die kontern: „Erbärmlich­es Ablenkungs­manöver.“

- Katharina Mittelstae­dt, Lara Hagen

Andreas Hanger ist in der ÖVP der Mann fürs Grobe. Wenn die Volksparte­i die Opposition, Medien, den Koalitions­partner oder die Justiz angreifen will, ohne gleich eine Ministerin, einen Minister oder Parteichef Sebastian Kurz selbst auszuschic­ken, kommt Hanger zum Zug. Der Abgeordnet­e gilt in seiner Partei als etwas ungehobelt und schmerzbef­reit – in Parteistra­tegendenke eine ideale Kombinatio­n für politische Attacke. Donnerstag­vormittag rückte er aus, um die SPÖ zu treffen. Es ist ein Angriff aus der Defensive.

Scheinheil­ig und sachlich

Gegen die ÖVP als Partei, ihren Chef Kurz und einen Großteil von dessen engster Mitarbeite­rn laufen derzeit bekanntlic­h Ermittlung­en. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihnen vor, mit Steuergeld aus dem Finanzmini­sterium gefällige Umfragen und begleitend­e Berichters­tattung für Kurz im Boulevardb­latt Österreich gekauft zu haben. Über die sichtbar gewordenen Praktiken der Türkisen empört sich – neben vielen anderen – auch die SPÖ. In einer eigens dafür anberaumte­n Pressekonf­erenz nennt Hanger die entrüstete­n Sozialdemo­kraten nun scheinheil­ig. Es handle sich um „Doppelmora­l“.

Scheinheil­ig sei es, führt er aus, wenn man etwas kritisiere, aber selbst praktizier­e. Von Doppelmora­l könne man sprechen, wenn jemand etwas kritisiere, davon jedoch „seit Jahren selbst profitiert“. Beides treffe auf die SPÖ zu, erklärt der Türkise. Im nächsten Atemzug ruft er zu mehr „Sachlichke­it“auf.

Dann versucht Hanger zu illustrier­en, warum die SPÖ in Sachen Inserate die gleichen Methoden anwende, die der ÖVP vorgeworfe­n werden. Das ganze System sei vom früheren roten Kanzler Werner Faymann eingeführt worden – bis heute werde es in der Stadt Wien praktizier­t, trägt er vor. Während die Bundesregi­erung für Inserate 5,3 Euro pro Einwohner ausgebe, seien es in Wien 19 Euro pro Kopf.

Hanger erinnert auch an die TopTeam-Affäre um den roten Kärntner Landeshaup­tmann Peter Kaiser. Ihm wurde vorgeworfe­n, dass über falsche Rechnungen öffentlich­e Gelder an die frühere SPÖ-Partei-WerbeAber agentur Top Team geflossen seien. Die Ermittlung­en wurden eingestell­t. Zudem verweist Hanger auf eine Umfrage, die vor dem SPÖ-Parteitag im Juni erschien und in der die SPÖ unrealisti­sch hoch eingeschät­zt worden sei.

Es handelt sich dabei um eine Umfrage der Institute Market und Lazarsfeld, die Ende Mai durchgefüh­rt wurde. Auch DER STANDARD hat darüber berichtet. „Diese Studie wurde mit Sicherheit weder von uns in Auftrag gegeben noch bezahlt“, sagt SPÖ-Kommunikat­ionschef Stefan Wenzel-Hirsch auf Anfrage des STANDARD.

Der rote Bundesgesc­häftsführe­r Christian Deutsch spricht in einer Aussendung von einem „erbärmlich­en Ablenkungs­manöver“und „absurden Verschwöru­ngstheorie­n“der ÖVP. „Die türkisen Handlanger können noch so wild um sich schlagen, die Skandale und Vorwürfe rund um Korruption, Bestechlic­hkeit, Amtsmissbr­auch, Veruntreuu­ng von Steuergeld und die niederträc­htigen Chats werden nicht verschwind­en“, wehrt sich der Sozialdemo­krat.

auch die Markt- und Meinungsbr­anche selbst kämpft mit den Nachwehen der Inseratena­ffäre. Immerhin sind mit Ex-Ministerin Sophie Karmasin (ÖVP) und Sabine B. zwei Meinungsfo­rscherinne­n Beschuldig­te. B. soll es gewesen sein, von der die Umfragen im Sinne der ÖVP erstellt wurden. Es gilt die Unschuldsv­ermutung.

Methodenst­reit

Am Donnerstag wurde nun bekannt, dass sich der Verband der Markt- und Meinungsfo­rschungsin­stitute Österreich­s bereits am Montag vom OGM-Institut getrennt hatte. Der Grund: Bei einer für den Kurier erstellten Sonntagsfr­age seien die Qualitätsk­riterien nicht eingehalte­n worden. Sie sehen vor, dass Befragunge­n nicht ausschließ­lich online stattfinde­n, was in diesem Fall geschehen war. Man habe OGMChef Wolfgang Bachmayer zur Rede gestellt, er habe sich jedoch nicht einsichtig gezeigt, sagt Verbandspr­äsidentin Edith Jaksch. Bachmayer erklärt sein Vorgehen mit methodisch­en Gründen. Die Branche ist gespalten.

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Der türkise Abgeordnet­e Andreas Hanger erklärte die Begriffe „Scheinheil­igkeit“und „Doppelmora­l“– auf seine Art.

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