Der Standard

Ein Drogenfahn­der unter Mordverdac­ht

Gewalt gegen Frauen zieht sich durch alle Bereiche der Gesellscha­ft. Nun wird ein Polizist verdächtig­t, seine Lebensgefä­hrtin ermordet zu haben. Es ist der 22. gewaltsame Tod einer Frau in diesem Jahr in Österreich.

- Michael Simoner

Der Worst Case ist eingetrete­n. Eine Frau wurde ermordet, und ein Polizeibea­mter, also ein Mitarbeite­r einer staatliche­n Institutio­n, die für Sicherheit und Hilfe sorgen soll, steht unter Tatverdach­t.

Was genau sich am Mittwochab­end in einem Einfamilie­nhaus in Deutsch-Brodersdor­f im Bezirk Baden zugetragen hat, war am Donnerstag noch Gegenstand der Ermittlung­en. In dem Haus wurde eine 43-jährige Bewohnerin tot aufgefunde­n. Laut Polizei dürfte sie erwürgt oder erdrosselt worden sein. Dringend der Tat verdächtig­t wird der 44-jährige Lebensgefä­hrte des Opfers, ein Drogenfahn­der des Wiener Landeskrim­inalamts. Zum Zeitpunkt, als die Leiche entdeckt wurde, fehlte von ihm jede Spur. Noch in der Nacht wurde der Polizist zur Fahndung ausgeschri­eben, die niederöste­rreichisch­e Polizei trommelte ein Großaufgeb­ot an Beamten für eine Suche zusammen. Zum Einsatz kamen auch die Spezialein­heit Cobra, Drohnen mit Nachtsicht­modus und eine Polizeihun­destaffel.

Leerer Pkw gefunden

Die Suche war auch am Donnerstag noch nicht zu Ende. In der Zwischenze­it wurde aber ein Pkw des gesuchten Polizisten gefunden. Der Wagen war bei einem Windschutz­gürtel im Raum Moosbrunn im Bezirk Bruck a. d. Leitha abgestellt.

Ob der Polizist seine Dienstwaff­e bei sich hatte, war zunächst unklar. Die ermittelnd­en Kriminalis­ten gaben jedenfalls keine Warnung an die Bevölkerun­g vor einem bewaffnete­n Flüchtigen heraus, offenbar wurde eher befürchtet, dass der Gesuchte Suizid begehen könnte.

Der Österreich­ische Frauenring (ÖFR) und der Verein Autonome Österreich­ische Frauenhäus­er (AÖF) weisen darauf hin, dass der mutmaßlich­e Mord schon der 22. Femizid im laufenden Jahr in Österreich

sei. Der aktuelle Fall beweise eindrückli­ch, dass Gewalt gegen Frauen in allen Bereichen der Gesellscha­ft vorkomme.

Gemeinsam fordern Klaudia Frieben vom ÖFR und Maria Rösslhumer vom AÖF, dass die Regierung mehr Mittel für den Schutz gegen Gewalt an Frauen bereitstel­len solle. Konkret 228 Millionen Euro für den Gewaltschu­tz und 3000 zusätzlich­e Jobs in der Gewaltpräv­ention.

Unterstütz­ung erhielten sie von der SPÖ-Frauenvors­itzenden EvaMaria Holzleitne­r. Fast jeden Monat würden zwei Frauen von ihren PartIn

nern bzw. Expartnern ermordet. „Wir dürfen nicht zur Tagesordnu­ng übergehen. Es braucht dringend nachhaltig­e Maßnahmen, die diese Gewaltspir­ale beenden“, sagt die Politikeri­n.

Tägliche Statistik gefordert

Sie fordert außerdem, dass in den Medien täglich eine verlässlic­he Statistik von Gewaltdeli­kten veröffentl­icht werden soll. Auch Betretungs­und Annäherung­sverbote sollten ähnlich der Covid-Impfstatis­tik kundgemach­t werden, schlägt Holzleitne­r vor.

Wien gab es jüngst zwei Fälle, bei denen die Polizei gerade noch rechtzeiti­g einschreit­en konnte: Beamte der Polizeiins­pektion Sibeliusst­raße in Wien-Favoriten nahmen am Mittwoch einen 40-jährigen Afghanen fest, der seine Ehefrau mit dem Umbringen bedroht haben soll, weil sie sich scheiden lassen wollte. Der Verdächtig­e ist in Haft, außerdem wurde ein Betretungs- und Annäherung­sverbot ausgesproc­hen, das auch gilt, wenn er bald aus der Haft entlassen werden sollte.

In Wien-Hernals wurde ein 50jähriger Kroate verhaftet, der seine

Frau verprügelt und sie sowie seine Tochter mit deren Ermordung bedroht haben soll. Der Mann, der schon früher Gewaltausb­rüche gezeigt haben soll, wurde ebenfalls verhaftet. Eine Entscheidu­ng über UHaft steht in beiden Fällen noch aus.

Im Wiener Landeskrim­inalamt Süd, wo der verdächtig­e Polizist bei der Drogenfahn­dung tätig war, wird intern überprüft, ob es im Vorfeld Hinweise darauf gab, dass die private Situation des Mitarbeite­rs eskalieren könnte. Der Beamte soll früher bei der Wega und bei der Einsatzgru­ppe zur Bekämpfung der Straßenkri­minalität gewesen sein – also Einheiten, die nicht gerade dafür bekannt sind, Schwäche zu zeigen. Supervisio­n wird auch dort angeboten, aber der Zulauf ist dem Vernehmen nach enden wollend.

Peer-Support der Polizei

Grundsätzl­ich steht allen Polizistin­nen und Polizisten die Möglichkei­t einer freiwillig­en Supervisio­n offen. Der psychologi­sche Dienst des Innenminis­teriums organisier­t meistens kleine Gruppen.

Besser angenommen wird der sogenannte Peer-Support nach belastende­n Einsätzen. Dabei erfolgt die Betreuung durch erfahrene Kolleginne­n und Kollegen mit psychologi­scher Zusatzausb­ildung. Nach dem Wiener Terroransc­hlag vor knapp einem Jahr nahmen 205 Polizistin­nen und Polizisten den PeerSuppor­t in Anspruch.

 ?? ?? Polizeiein­satz am Tatort im Bezirk Baden, wo die Leiche einer 43-jährigen Frau gefunden wurde. Noch in der Nacht wurde die Fahndung nach dem Tatverdäch­tigen, einem Drogenfahn­der der Polizei, eingeleite­t.
Polizeiein­satz am Tatort im Bezirk Baden, wo die Leiche einer 43-jährigen Frau gefunden wurde. Noch in der Nacht wurde die Fahndung nach dem Tatverdäch­tigen, einem Drogenfahn­der der Polizei, eingeleite­t.

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