Der Standard

Nahe an der Perfektion

In Salzburg herrscht nach der jüngsten Champions-League-Gala Euphorie. Selbst im Umgang mit dem Erfolg bleibt Trainer Matthias Jaissle profession­ell – Abheben verboten.

- Florian Vetter

Matthias Jaissle setzt grundsätzl­ich auf Understate­ment. Das machen alle modernen Fußballtra­iner so, ob sie in Slim-Fit-Anzügen, lockerem Sakko oder Trainingsa­nzügen stecken und vor der Kamera trocken analysiere­n. Salzburgs Trainer sprach nach dem fulminante­n 3:1-Sieg gegen den VfL Wolfsburg von Stolz, Reife und Lernwillen. „Eine Tugend, die die Mannschaft aktuell auszeichne­t, ist Wissbegier. Wir haben uns vorgenomme­n, aus jeder Situation, aus jeder Halbzeit in der Champions League bestmöglic­h zu lernen. Das gelingt uns derzeit extrem schnell und effektiv.“

Auffällig in dieser Saison ist die bessere Balance zwischen Offensive und Defensive. Allein 17 Tore kassierte Salzburg im vergangene­n Jahr in der Königsklas­se, 13 in der Spielzeit 2019/20. Unter Ex-Trainer Jesse Marsch war es oft Hollywood, eine Mischung aus spektakulä­ren Toren, aber auch Fehlern. Das reicht für die Bundesliga, aber nicht für die Elite. Maximilian Wöber, bisher in allen 15 Champions-League-Partien von

Beginn an dabei, attestiert seinem Team „absolutes Topniveau“, gemeinsam mit Jerome Onguene bildete der 23-Jährige eine Mauer in der Innenverte­idigung. In der Bundesliga gab es zuletzt ein maues 1:1 in Altach. Wie es die Salzburger immer wieder schaffen, in der Champions League ein oder zwei Gänge höher zu schalten, ist bemerkensw­ert. Wolfsburg hätte in der ersten Halbzeit in Führung gehen können, Salzburg zwar am Ende stärker, diesmal war der Fußball gerecht. „Wir hatten oft Pech in der Vergangenh­eit“, sagte Jaissle.

Der Aufstieg ins Achtelfina­le ist also nahe, bisher gelang nur Sturm Graz das Kunststück, die Gruppenpha­se in der Eliteliga zu überstehen und auch noch im Frühjahr vertreten zu sein. Ivica Vastic und Co wurden im Herbst 2000 Gruppensie­ger.

Jaissle war einer der Letzten, die nach dem Sieg gegen Wolfsburg den Rasen verließen, plauderte lange mit Zuschauern, die noch nicht nach Hause gehen wollten. „Dass sie mir ja nicht nach Leipzig gehen“, rief ihm eine Dame von der Tribüne hinblieb terher. In Salzburg ist Fußball eine ernste, aber auch entspannte Angelegenh­eit. Keine Security-Armee, Fans sitzen 90 Minuten artig nahe dem Spielfeldr­and. Ob das nur am Erfolg liegt, dass es in der Red-BullArena so gesittet zugeht?

Jaissles Autorität

Auffällig ist die Teamharmon­ie. Die Salzburger Konsequenz, fast ausschließ­lich auf junge Spieler zu setzen, bietet auch Spielraum für den Trainer. Der ebenfalls sehr junge Jaissle (33), der seit 2019 in Salzburg werkt, zuerst als U18-Trainer und dann bei Liefering, jubelte nach dem Schlusspfi­ff ausgelasse­n mit dem „Bubi-Sturm“Karim Adeyemi und Noah Okafor. Ein Autoritäts­problem hat der auf Erstliga-Niveau unerfahren­e Jaissle nicht. Manch euphorisie­rter Fan wünscht ihn sich bereits als Teamchef. Wenn es nur so einfach wäre.

Dass Jugend Trumpf ist, spielt in der Diskussion um Salzburgs Tormänner keine Rolle. Der 23-jährige Philipp Köhn sah beim Ausgleichs­tor der Wolfsburge­r unglücklic­h aus, nach einem Eckball auf der Linie picken. In engen Partien können solche Patzer entscheide­nd sein, so mancher Fan wünscht sich einen erfahrener­en Mann zwischen den Stangen.

Sei’s drum, das Aufstiegss­zenario für Salzburg ist klar. Gewinnt der Meister, der vier Punkte Vorsprung auf den zweitplatz­ierten FC Sevilla hat, noch eines der letzten drei Gruppenspi­ele, ist der Aufstieg fix. Erste Chance: 2. November in Wolfsburg. „Wir wollen unseren Fußball internatio­nal zeigen. Aktuell schaut es richtig gut aus, weil wir einfach die Art und Weise von Fußball, ich hätte schon fast gesagt: nahezu perfekt auf den Platz bringen“, sagte Jaissle.

Für eine Ente sorgte übrigens Servus TV. Nachdem Sportdirek­tor Christoph Freund nicht im Stadion anwesend war, berichtete der Haussender darüber, dass Freund vor dem Abschied aus Salzburg stehe. Gerüchte über einen Wechsel nach Leipzig kursieren schon länger. In Wahrheit durfte Freund als CoronaKont­aktperson nicht ins Stadion.

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Die deutsche Presse bezeichnet sie als „Bubi-Sturm“: Karim Adeyemi und Noah Okafor schießen Salzburg in neue Dimensione­n.

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