Der Standard

Händler sitzen zwischen zwei Stühlen

Am Donnerstag starteten die Sozialpart­ner die Verhandlun­gen für die neuen Gehälter im Handel. Wirtschaft­sforscher halten es für klug, auch Lösungen auf betrieblic­her Ebene zu erwägen.

- Verena Kainrath

Vom Klatschen wird man nicht satt, und es lassen sich damit keine Rechnungen bezahlen.“Anita Palkovich stellt zum Auftakt der Lohnverhan­dlungen im Handel klar, dass Corona nicht als Ausrede dienen dürfe, um mehr als 400.000 Angestellt­e finanziell durch die Finger schauen zu lassen. Die Chefverhan­dlerin auf Arbeitnehm­erseite erinnert einmal mehr an enorme Belastunge­n, denen viele Handelsmit­arbeiter an der Virenfront seit eineinhalb Jahren ausgesetzt sind.

An ihrer Seite lässt Rainer Trefelik aber keinen Zweifel daran, dass Corona keine Ausrede, sondern eine Tatsache sei. Und die Krise sei mit

Blick auf steigende Infektions­zahlen lange nicht vorbei. Der Chefverhan­dler der Arbeitgebe­r zieht als mahnendes Beispiel den Modehandel mit seinen gut 61.000 Beschäftig­ten heran: Diese besonders hart in Mitleidens­chaft gezogene Branche erziele nach wie vor um fast ein Viertel weniger Umsätze als im Jahr 2019.

Gestern, Donnerstag, startete das Ringen um den neuen Kollektivv­ertrag für den Wirtschaft­szweig mit dem österreich­weit höchsten Frauenante­il. Drei Termine in den kommenden Wochen haben sich die Sozialpart­ner dafür reserviert. Dass es wie im Vorjahr bereits in der ersten Verhandlun­gsrunde zu einer Einigung kommt, gilt als unwahrsche­inlich. Zu weit ragen ihre Vorgaben und Einschätzu­ngen zum Finanzgeba­ren der Unternehme­n auseinande­r. Während einzelne Branchen im Zuge der Krise Rekordumsä­tze erzielten, pfeifen andere trotz staatliche­r Hilfen aus dem letzten Loch.

Inflation als hohe Hürde

Helmut Hofer, Experte des Wifo, hält es für klug, über Lösungen auf betrieblic­her Ebene nachzudenk­en. Dass der Kollektivv­ertrag Rücksicht auf wirtschaft­liche Kennzahlen der einzelnen Betriebe nehme, sei bisher zwar noch nicht oft vorgekomme­n, aber kein Novum, sagt er im

Gespräch mit dem STANDARD. Anders als in der Industrie halte sich der technische Fortschrit­t im Handel abgesehen von Onlineverk­äufen in Grenzen. Diese wiederum reduzierte­n den Bedarf an Personal. Die Arbeitspro­duktivität des Einzelhand­els wachse letztlich nur bedingt. Seine Kapitalaus­stattung sei gering.

Eine hohe Hürde, die Verhandler für eine Einigung nehmen müssen, ist die stetig steigende Inflation, die den Prognosen zufolge auch 2022 die Schwelle von zwei Prozent sprengen wird. Um satte 6,8 Prozent habe sich der wöchentlic­he Einkauf, Sprit eingerechn­et, verteuert, rechnet Palkovich vor. Trefelik pariert mit gestiegene­n Kosten durch Lieferengp­ässe. Auf den Tisch werfen die Sozialpart­ner das Gehaltsplu­s meist aber erst gegen Ende der Verhandlun­gen. Erst wird Annäherung bei Forderunge­n rund um höhere Abgeltung für Mehrarbeit und Nachtdiens­te wie längeren Urlaub gesucht.

Auf weitgehend einer Linie sind die Sozialpart­ner bisher nur, was die neuen 3G-Regeln für den Arbeitspla­tz betrifft. Die Impfquote unter Handelsang­estellten sei schon bisher überdurchs­chnittlich hoch, sagt Palkovich. 3G motiviere viele weitere, sich impfen zu lassen. Trefelik: „Der Handel muss ein sicheres Umfeld bieten.“

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