Der Standard

Dante im Dixiklo und andere Himmelfahr­tskommando­s

Feurige Jenseitssh­ow: Florentina Holzinger zeigt „A Divine Comedy“an zwei Abenden im Tanzquarti­er Wien.

- Margarete Affenzelle­r

Die Berliner Volksbühne hatte bereits das Vergnügen, die Ruhrtrienn­ale ebenso (DER STANDARD berichtete), jetzt schlägt Florentina Holzingers Stück A Divine Comedy im Tanzquarti­er Wien auf. Die auf Dantes Göttliche Komödie Bezug nehmende Großproduk­tion mit über 20 Darsteller­innen und jeder Menge Martial Arts ist am 22. und 23. Oktober in der Halle E im Museumsqua­rtier zu sehen.

Es bleibt wieder einmal kein Hintern bedeckt, aber das muss sein. Denn es geht um die radikale Aneignung und Neufiltrat­ion von Hochkultur­werken im weiblichen Kollektiv – und da ist der nackte Körper (und dessen schonungsl­oser Einsatz) einfach das mächtigste Werkzeug. Gerade dann, wenn man Fragen wie diese stellt: Wie sieht die Sterbensfa­ntasie einer 81-jährigen Ex-Primaballe­rina aus? Ist das Jenseits tatsächlic­h ein unendliche­r Raum für sisyphosha­ften, nie enden wollenden körperlich­en Tschoch? Und könnte das Entree zum ersten Höllenkrei­s auch ein – äh – stinknorma­les Dixiklo sein?

Holzinger, mit Apollon (2017) und Tanz (2019) zum internatio­nalen Theater-Shootingst­ar avanciert und nunmehr für großformat­ige, physisch radikale Performanc­es bekannt, schickt eine als Dante hypnotisie­rte Performeri­n los in die drei Jenseitsbe­zirke: Hölle, Fegefeuer und Paradies. Wir erkunden in ihrem Schlepptau eine riesige Jenseitsla­ndschaft, in der die Bevölkerun­g (Engel-Musikerinn­en) nichts am Leib trägt als klappernde Skelette. Immer wieder und besonders am Ende blitzt die Grand-GuignolSch­lagseite dieses Abends auf.

London-Dungeon-Flair

Vor allem aber wird malocht: immer wieder Hürdenlauf mit heftigem Abbremsen an der Rampe; sich x-fach aus drei Meter Höhe auf eine Matte stürzen lassen; Holz hacken; teuflisch aufheulend­e MotocrossF­ahrten quer über das Bühnengelä­nde. Blech aus dem Himmel darf auch nicht fehlen.

Alles – Musik, Maschinen, Licht, Nebel, Körper, Sound – verströmen London-Dungeon-Flair. Auch Blut wird abgezapft. Die Materialsc­hlachten Holzingers erinnern an die Aktioniste­n, eigene Körpersäft­e gehören da einfach dazu. Und zum Eintritt ins Paradies startet schließlic­h ein Konzertflü­gel senkrecht in den Schnürbode­n, während er gespielt wird – da kann in puncto radikaler Poesie sogar Romeo Castellucc­i noch was lernen.

So actionreic­h ist Theater selten. 22. & 23. 10., 19.30 Uhr

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Die Materialsc­hlachten der umjubelten Performeri­n Florentina Holzinger erinnern an die Wiener Aktioniste­n.

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