„200 Millionen für Inserate sind eine Obszönität“
Heide Schmidt, Proponentin des Antikorruptionsvolksbegehrens und ehemals Politikerin, will Regierungswerbung deckeln, dafür aber die Presseförderung deutlich erhöhen. Druckausübung per Inserate kennt sie aus ihrer Politikära.
„Die Relation zwischen Medienförderung und Inseraten muss umgedreht werden.“
STANDARD: Im Antikorruptionsvolksbegehren, für das derzeit noch Unterstützungserklärungen gesammelt werden, gibt es in puncto Inserate und Medien konkrete Forderungen. Schmidt: Die Hauptforderungen müssen sein, eine massive Verlagerung der Gelder zur Medienförderung hin und weg von der Inseratenschaltung zu bewirken. Diese Budgets müssen quasi umgedreht werden. Bei der Medienförderung sind wir bei unter zehn Millionen Euro jährlich, bei den Inseraten öffentlicher Stellen bei 200 Millionen pro Jahr. Dieses Missverhältnis ist eine Einladung zum Missbrauch. Wir brauchen eine vernünftige Medienförderung, die an Qualitätskriterien geknüpft ist und an sonst gar nichts.
STANDARD: Und bei der Inseratenvergabe?
Schmidt: Wir brauchen erstens eine finanzielle Reduktion des Aufwandes, eine Deckelung also. Wichtig wäre ein Mehraugenprinzip, beispielsweise könnte eine Verabschiedung im Ministerrat ein taugliches Instrument sein. Wir benötigen eine jährliche Berichterstattung ans Parlament, wo diese Aufteilung der Inserate auch diskutiert werden kann und es eine Rechtfertigung geben muss. Wenn man das vorher schon weiß, wird man das hoffentlich anders machen. Und wir brauchen eine Nachschärfung im Medientransparenzgesetz.
STANDARD: Wie könnte die aussehen?
Schmidt: Dort ist zwar festgeschrieben, dass Inserate einzig der Informationen zu dienen haben und nicht der Werbung. Die Praxis ist aber das Gegenteil davon. Und zwar deswegen, weil es keine Sanktionen gibt. Es braucht mehrere Stellschrauben, an denen gedreht werden muss. Ich halte das alles für machbar.
STANDARD: In welchem Rahmen könnte sich eine Deckelung der Inserate bewegen?
Schmidt: Wir haben eine derzeitige Medienförderung von unter zehn Millionen Euro pro Jahr, das ist zu wenig, wenn es eben an Qualitätskriterien geknüpft ist, und das ist notwendig. Dabei geht es um Fragen der Berichterstattung wie Investigativjournalismus, Kultur- und Politikberichte, Journalistenausbildung oder die Mitgliedschaft beim Presserat. Die 200 Millionen Euro für Inserate
sind eine Obszönität. Das auf die Hälfte zu reduzieren wäre zum Beispiel ein Klacks. Mir geht es aber gar nicht so sehr um die Ziffern, die muss man bei der konkreten Erarbeitung abwägen, aber die Relation zwischen Medienförderung und Inserate muss jedenfalls komplett umgedreht werden.
STANDARD: Was bräuchte es noch? Schmidt: In diese Inseratenvergabetransparenz spielt auch das Informationsfreiheitsgesetz rein. Medien müssen in die Lage versetzt werden, auf eine reelle Weise an Informationen zu kommen. Und nicht, indem man nach dem Prinzip „eine Hand wäscht die andere“arbeitet. Die Forderungen richten sich ja nicht nur an die Politik, sondern sie sind ein Aufruf für mehr Anstand bei so machen Medien.
STANDARD: Weil Sie Qualitätskriterien für die Medienförderung ins Spiel bringen und definieren: Was würde das für Boulevardmedien bedeuten? Schmidt: Ich habe mit solchen Kategorisierungen immer ein Problem, denn jetzt laufen Erhebungen gegen einen Teil des Boulevards. Das meiner Meinung nach sehr zu Recht, und jeder spürt, dass es innerhalb des Boulevards Qualitätsunterschiede gibt. Es ist kein Wunder, dass es Erhebungen gegen eine Mediengruppe gibt, gegen andere aber nicht. Mag sein, dass die einen mehr Glück haben als die anderen, aber die Unverschämtheit und die Bereitschaft, es zum System zu erklären, die ist auch innerhalb des Boulevards eine unterschiedliche.
STANDARD: Diesen Druck mussten Sie damals als Politikerin des Liberalen Forums auch am eigenen Leibe erfahren, wie Sie vor ein paar Tagen in einem Interview mit dem Nachrichtensender Puls 24 erzählt haben. Schmidt: Ja, nicht in dieser Krassheit, aber selbstverständlich. Ich erinnere mich ganz genau daran, dass damals eine Zeitung im Wirkungsbereich des Herrn Fellner gesagt hat: Und wenn ihr bei uns nicht schaltet, kommt ihr nicht vor.
STANDARD: Hat Ihnen das Herr Fellner persönlich gesagt?
Schmidt: Es ist nicht an mich herangetragen worden, sondern an diejenigen, die dafür zuständig waren. Als Parteichefin war ich das nicht unmittelbar. Ich weiß es, weil wir das besprochen hatten. Wir haben gesagt, das lassen wir uns so nicht bieten, aber ich schließe nicht einmal aus, dass wir letztendlich nicht auch Inserate geschalten haben. In einem überblickbaren Ausmaß. Früher haben wir von einer Verhaberung gesprochen. Ein gutes Verhältnis zum Gegenüber zu haben heißt noch lange nicht, dass man in das Prinzip „eine Hand wäscht die andere“hineinrutscht. Das ist einerseits eine Frage der Spielregeln, aber auch des Charakters. Und zwar auf beiden Seiten.
STANDARD: Und welche Zeitung im Dunstkreis des Herrn Fellner war das damals? „News“?
Schmidt: Ja, es war News, aber ich erinnere mich, dass es bereits bei Basta begonnen hat. Da war ich, glaube ich, noch in der FPÖ. Es kommt darauf an, wie kaltschnäuzig diese Praxis eingesetzt wird, dass sie entweder ein Ausnahmefall ist oder System.
STANDARD: Der Preis, den Parteien zahlen, ist, dass sie in der Berichterstattung ignoriert werden? Schmidt: Wenn man Glück hat, ja. Frau Kneissl (Karin, Ex-Außenministerin, Anm.) hat davon erzählt, dass auch die Negativberichterstattung eine Reaktion sein kann. Aus eigener Erfahrung kann ich das nicht bestätigen, ich glaube ihr das aber.
HEIDE SCHMIDT (72) trat 1993 aus der FPÖ aus, um das Liberale Forum zu gründen, dessen Chefin sie bis 1999 und dann im Jahr 2008 erneut war. Langfassung: derStandard.at/etat