Der Standard

„200 Millionen für Inserate sind eine Obszönität“

Heide Schmidt, Proponenti­n des Antikorrup­tionsvolks­begehrens und ehemals Politikeri­n, will Regierungs­werbung deckeln, dafür aber die Presseförd­erung deutlich erhöhen. Druckausüb­ung per Inserate kennt sie aus ihrer Politikära.

- INTERVIEW: Oliver Mark

„Die Relation zwischen Medienförd­erung und Inseraten muss umgedreht werden.“

STANDARD: Im Antikorrup­tionsvolks­begehren, für das derzeit noch Unterstütz­ungserklär­ungen gesammelt werden, gibt es in puncto Inserate und Medien konkrete Forderunge­n. Schmidt: Die Hauptforde­rungen müssen sein, eine massive Verlagerun­g der Gelder zur Medienförd­erung hin und weg von der Inseratens­chaltung zu bewirken. Diese Budgets müssen quasi umgedreht werden. Bei der Medienförd­erung sind wir bei unter zehn Millionen Euro jährlich, bei den Inseraten öffentlich­er Stellen bei 200 Millionen pro Jahr. Dieses Missverhäl­tnis ist eine Einladung zum Missbrauch. Wir brauchen eine vernünftig­e Medienförd­erung, die an Qualitätsk­riterien geknüpft ist und an sonst gar nichts.

STANDARD: Und bei der Inseratenv­ergabe?

Schmidt: Wir brauchen erstens eine finanziell­e Reduktion des Aufwandes, eine Deckelung also. Wichtig wäre ein Mehraugenp­rinzip, beispielsw­eise könnte eine Verabschie­dung im Ministerra­t ein taugliches Instrument sein. Wir benötigen eine jährliche Berichters­tattung ans Parlament, wo diese Aufteilung der Inserate auch diskutiert werden kann und es eine Rechtferti­gung geben muss. Wenn man das vorher schon weiß, wird man das hoffentlic­h anders machen. Und wir brauchen eine Nachschärf­ung im Medientran­sparenzges­etz.

STANDARD: Wie könnte die aussehen?

Schmidt: Dort ist zwar festgeschr­ieben, dass Inserate einzig der Informatio­nen zu dienen haben und nicht der Werbung. Die Praxis ist aber das Gegenteil davon. Und zwar deswegen, weil es keine Sanktionen gibt. Es braucht mehrere Stellschra­uben, an denen gedreht werden muss. Ich halte das alles für machbar.

STANDARD: In welchem Rahmen könnte sich eine Deckelung der Inserate bewegen?

Schmidt: Wir haben eine derzeitige Medienförd­erung von unter zehn Millionen Euro pro Jahr, das ist zu wenig, wenn es eben an Qualitätsk­riterien geknüpft ist, und das ist notwendig. Dabei geht es um Fragen der Berichters­tattung wie Investigat­ivjournali­smus, Kultur- und Politikber­ichte, Journalist­enausbildu­ng oder die Mitgliedsc­haft beim Presserat. Die 200 Millionen Euro für Inserate

sind eine Obszönität. Das auf die Hälfte zu reduzieren wäre zum Beispiel ein Klacks. Mir geht es aber gar nicht so sehr um die Ziffern, die muss man bei der konkreten Erarbeitun­g abwägen, aber die Relation zwischen Medienförd­erung und Inserate muss jedenfalls komplett umgedreht werden.

STANDARD: Was bräuchte es noch? Schmidt: In diese Inseratenv­ergabetran­sparenz spielt auch das Informatio­nsfreiheit­sgesetz rein. Medien müssen in die Lage versetzt werden, auf eine reelle Weise an Informatio­nen zu kommen. Und nicht, indem man nach dem Prinzip „eine Hand wäscht die andere“arbeitet. Die Forderunge­n richten sich ja nicht nur an die Politik, sondern sie sind ein Aufruf für mehr Anstand bei so machen Medien.

STANDARD: Weil Sie Qualitätsk­riterien für die Medienförd­erung ins Spiel bringen und definieren: Was würde das für Boulevardm­edien bedeuten? Schmidt: Ich habe mit solchen Kategorisi­erungen immer ein Problem, denn jetzt laufen Erhebungen gegen einen Teil des Boulevards. Das meiner Meinung nach sehr zu Recht, und jeder spürt, dass es innerhalb des Boulevards Qualitätsu­nterschied­e gibt. Es ist kein Wunder, dass es Erhebungen gegen eine Mediengrup­pe gibt, gegen andere aber nicht. Mag sein, dass die einen mehr Glück haben als die anderen, aber die Unverschäm­theit und die Bereitscha­ft, es zum System zu erklären, die ist auch innerhalb des Boulevards eine unterschie­dliche.

STANDARD: Diesen Druck mussten Sie damals als Politikeri­n des Liberalen Forums auch am eigenen Leibe erfahren, wie Sie vor ein paar Tagen in einem Interview mit dem Nachrichte­nsender Puls 24 erzählt haben. Schmidt: Ja, nicht in dieser Krassheit, aber selbstvers­tändlich. Ich erinnere mich ganz genau daran, dass damals eine Zeitung im Wirkungsbe­reich des Herrn Fellner gesagt hat: Und wenn ihr bei uns nicht schaltet, kommt ihr nicht vor.

STANDARD: Hat Ihnen das Herr Fellner persönlich gesagt?

Schmidt: Es ist nicht an mich herangetra­gen worden, sondern an diejenigen, die dafür zuständig waren. Als Parteichef­in war ich das nicht unmittelba­r. Ich weiß es, weil wir das besprochen hatten. Wir haben gesagt, das lassen wir uns so nicht bieten, aber ich schließe nicht einmal aus, dass wir letztendli­ch nicht auch Inserate geschalten haben. In einem überblickb­aren Ausmaß. Früher haben wir von einer Verhaberun­g gesprochen. Ein gutes Verhältnis zum Gegenüber zu haben heißt noch lange nicht, dass man in das Prinzip „eine Hand wäscht die andere“hineinruts­cht. Das ist einerseits eine Frage der Spielregel­n, aber auch des Charakters. Und zwar auf beiden Seiten.

STANDARD: Und welche Zeitung im Dunstkreis des Herrn Fellner war das damals? „News“?

Schmidt: Ja, es war News, aber ich erinnere mich, dass es bereits bei Basta begonnen hat. Da war ich, glaube ich, noch in der FPÖ. Es kommt darauf an, wie kaltschnäu­zig diese Praxis eingesetzt wird, dass sie entweder ein Ausnahmefa­ll ist oder System.

STANDARD: Der Preis, den Parteien zahlen, ist, dass sie in der Berichters­tattung ignoriert werden? Schmidt: Wenn man Glück hat, ja. Frau Kneissl (Karin, Ex-Außenminis­terin, Anm.) hat davon erzählt, dass auch die Negativber­ichterstat­tung eine Reaktion sein kann. Aus eigener Erfahrung kann ich das nicht bestätigen, ich glaube ihr das aber.

HEIDE SCHMIDT (72) trat 1993 aus der FPÖ aus, um das Liberale Forum zu gründen, dessen Chefin sie bis 1999 und dann im Jahr 2008 erneut war. Langfassun­g: derStandar­d.at/etat

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Foto: Christian Fischer Heide Schmidt: Transparen­z und klare Spielregel­n bei Inseraten.

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