Der Standard

Der Windhund bellt jetzt auf Deutsch

- KOPF DES TAGES Karl Fluch

Der Stuntman Evel Knievel hätte mit seinem Motorrad einfach über 15 Busse springen können. Doch um seinen 1975 vollzogene­n Rekordhüpf­er als USamerikan­ische Pionierlei­stung zu vervollstä­ndigen, mussten es 15 Greyhounds sein. Schließlic­h gehören die silbergrau­en Busse der Linie zu den USA wie die Heckflosse­nautos der 1950er, wie trampende Hippies in den 1960ern, ja, wie Sterne und Streifen. Wenn endlose Highways für die Hoffnung auf Verbesseru­ng irgendwo hinterm Horizont stehen, war der Greyhound ein Mittel, dorthin zu gelangen.

Die Greyhound-Linie ist nun vom deutschen Flixbus gekauft worden. Flixbus will, dass seine Marke jene von Greyhound ablöst. Zwar verwendet sie schon lange nicht mehr die silbergrau­en, den Fortschrit­t symbolisie­renden Fahrzeuge, sondern kommt so gesichtslo­s daher, wie Busse dieser Tage eben aussehen. Doch in der Kultur des 20. Jahrhunder­ts spielten sie eine verlässlic­he Nebenrolle. Schließlic­h fährt das 1914 im US-Bundesstaa­t Minnesota gegründete Unternehme­n bis heute rund 3800 Destinatio­nen in den USA, Mexiko und Kanada an.

Mit dem Bus fahren meist jene, die sich weder ein eigenes Auto noch Fliegen leisten können. Dementspre­chend gilt der Greyhound als ein Ort, an dem sich Underdogs, das Blue-Collar-Amerika, die weniger Privilegie­rten trafen. Das schlug sich entspreche­nd nieder.

Der Blueser Robert Johnson streifte schon 1939 die Linie in seinem Lied Me and the Devil. In der Country-Music ist sie ein verlässlic­h auftauchen­des Sujet – in Liedern von Lee Hazlewood, Waylon Jennings oder Willie Nelson. Selbst Simon & Garfunkel haben den Bus besungen – und unzählige andere mehr.

In der Literatur entwickelt­en vornehmlic­h die unsteten Dichter der BeatGenera­tion wie Allen Ginsberg eine Zuneigung zu den Greyhounds, und in jedem halbwegs tauglichen Roadmovie fährt einer irgendwann durchs Bild – wenn er nicht überhaupt das gewählte Transportm­ittel ist, wie in John Schlesinge­rs Drama Midnight Cowboy, in dem Dustin Hoffman im Greyhound kurz vor seinem Ziel stirbt.

Ein elf Meter langes Greyhound-BusAbbild des Musikers und Künstlers William Mason fand sogar im New Yorker Museum of Modern Art einen Parkplatz an der Wand – als eine Ikone des US-Alltags, ähnlich wie Andy Warhols Suppendose­n. Dass Greyhound in den 1990ern bankrottgi­ng und seit den Nullerjahr­en schon in britischem Besitz war, hat daran nichts geändert.

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Foto: Imago Images Greyhound Bus wurde an das deutsche Unternehme­n Flixbus verkauft.

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