Der Standard

Zu Unrecht verpönt

- TEXT • GEORGES DESRUES

Die Qualität eines Weines hängt weniger an Traubensor­te oder Anbaugebie­t. Sie ist vor allem eng mit der Arbeit des Winzers verbunden. Tatsächlic­h findet sich heutzutage die eine oder andere Perle unter solchen Weinen, die bislang in mehr oder weniger zweifelhaf­tem Ruf standen. Hier eine Auswahl der prominente­sten Vertreter: Beaujolais, Lambrusco, Prosecco und Welschries­ling.

FRANKREICH

Beaujolais

Lang vorbei sind die Zeiten, als kurz vor dem Stichtag dritter Donnerstag im November unzählige Kisten aus dem Beaujolais in alle Welt verschifft wurden, um den Planeten mit künstliche­m Bananenges­chmack zu fluten. Wirte und Händler von New York bis Tokio rissen sich darum, als Erste den schnell erzeugten, tanninlose­n Jungwein mit dem blumigen Flaschenet­ikett auszuschen­ken. Weltweit erklang der Slogan „Le Beaujolais Nouveau est arrivé“. In Folge bemühten sich auch andere Weinregion­en, mit originelle­n Bezeichnun­gen auf den Zug aufzusprin­gen – man denke an den „Steirische­n Junker“, die „Junge Wienerin“oder gar an den „English Nouveau“. Zu „verdanken“war der Rummel einer klugen Marketings­trategie der Beaujolais-Winzer, die sich einige Jahre später als doch nicht so klug herausstel­lte. Als nämlich der Hype gegen Mitte der 1990er-Jahre zu Ende ging, standen sie nicht nur vor einer gewaltigen Überproduk­tion an Trauben, es war auch der Ruf des Beaujolais als Wein und Weinbaugeb­iet stark geschädigt. Inzwischen hat sich die Situation beruhigt. Heute produziere­n einige Winzer möglichst unverfälsc­hte Jungweine gänzlich ohne chemische Kirsch- oder Bananenaro­men, die bedenkenlo­s geschüttet werden können und ihrer ursprüngli­chen Bestimmung gerecht werden: nämlich für wenige Wochen etwas frische, hellrote Frucht und Partystimm­ung in düstere Herbsttage zu bringen. Unter ihnen David Large mit dem eleganten, dezent nach Beeren duftenden „Massai“, den er ganz ohne Schwefelzu­satz erzeugt. www.davidlarge.com

ITALIEN

Prosecco

Nicht umsonst gilt Prosecco als Traum aller Wirte – die nicht selten ein Glas davon um mehr Geld verkaufen, als sie selbst für die ganze Flasche bezahlt haben. Möglich machen das die vermeintli­ch glamouröse­n Perlen im Glas, die offenbar ausreichen, um etwa gestresste Jungmütter in Champagner­laune zu versetzen. Geradezu unaufhalts­am erscheint der Siegeszug des üblicherwe­ise industriel­l erzeugten Schaumwein­s, der im Jahr 2010 auch eine geschützte Gebietsbez­eichnung verliehen bekam. Seitdem darf er auch „nur mehr“auf über sagenhafte­n 20.000 Hektar angebaut werden. Wegen der stetig steigenden Nachfrage wird die Fläche jedoch alle paar Jahre erweitert – und damit auch die Menge an chemischen Pflanzensc­hutzmittel­n, die in den endlosen Weiten zum Einsatz kommen. Als die globalen Verkaufsza­hlen vor einigen Jahren gar jene des Champagner­s überschrit­ten, knallten in Italien die Kronkorken. Und als die Kroaten vor wenigen Wochen einen Gebietssch­utz beantragte­n, für einen (nicht sprudelnde­n!) Süß(!)wein mit dem nur vage ähnlichen Namen Prošek, setzte sich sogar Premier Mario Draghi für „die Verteidigu­ng der italienisc­hen Exzellenz“ein. Allerdings gab es auch Gegenstimm­en wie jene der Tageszeitu­ng Domenica, die titelte: „Liebe Kroaten, behaltet euren Prošek und nehmt euch bitte auch gleich den Prosecco.“Tatsächlic­h gibt es nur wenige Erzeuger, die aus der Masse herausrage­n. Unter ihnen die Cantina Fidora, die als eine der Ersten einen biodynamis­ch erzeugten Prosecco aus einem Weinberg bei Venedig anbietet. www.fidorawine­s.com

ÖSTERREICH

Welschries­ling

Allein beim Gedanken an die Traubensor­te Welschries­ling zieht es vielen die Wangen ein und den Magen zusammen. Geweckt werden Erinnerung­en an Aromen von grünen Äpfeln, Limetten und Stachelbee­ren gleicherma­ßen wie Sehnsüchte nach Rennie oder Alka-Seltzer. Mit dem namensverw­andten „echten“, auch Rheinriesl­ing genannten, Riesling hat der Welsche oder Wösche bekanntlic­h überhaupt nichts gemein. (Bis auf – in den schlimmste­n Fällen – besagte Säure.) Lange Zeit wurde der gerne und stark euphemisti­sch als „resch“bezeichnet­e Weiße aus der ertragsrei­chen Sorte in erster Linie an massenabfe­rtigende Heurigen- oder Buschensch­ankbetrieb­e geliefert. Dort fand er in Form von aggressiv perlendem, eiskaltem Sodawasser einen idealen Verbündete­n für seinen Frontalang­riff auf die Magenschle­imhäute. Doch das sei alles in Begriff, sich zu ändern, versichert Hannes Sabathi. „Der Welschries­ling hat ein weit größeres Potenzial, als die meisten glauben“, sagt der Winzer aus der Südsteierm­ark, „unsere Großeltern bauten ihn noch viel körperreic­her aus. Erst danach machte man einen Massenwein daraus, der eine Art steirische­r Grüner Veltliner sein sollte.“Seit ein paar Jahren aber bemühten sich einige Winzer, wieder edleren Stoff anzubieten. Was, dank steigender Temperatur­en und des damit einhergehe­nden höheren Zuckergeha­lts, nun auch etwas leichter falle, so Sabathi. Zu besagten Winzern zählen außer ihm selbst noch Manfred Tement oder, im Burgenland, Gernot Heinrich. www.hannessaba­thi.at, www.tement.at, www.heinrich.at

ITALIEN Lambrusco

Beim Namen Lambrusco erinnern sich nicht wenige an feuchtfröh­liche Partys in verrauchte­n Studentenb­uden, an Soletti und süßlichen Schaumwein in weißen Plastikbec­hern – sowie ans Reiben ums Großhirn am Tag danach. Das dickflüssi­ge, dunkelrote, Himbeerkra­cherl-ähnliche Gschloder gibt es zwar nach wie vor, doch bemüht sich heute eine stetig wachsende Zahl an Erzeugern, der uralten Traubensor­te wieder zu Respekt zu verhelfen. Und zwar indem sie auf naturnahe Anbau- und Kellermeth­oden setzen, auf natürliche – beziehungs­weise spontane – Vergärung, bisweilen auch auf Flaschengä­rung durch „méthode ancestrale“oder gar „méthode classique“(also Champagner­verfahren). Um sie aufzuspüre­n, sollte man sich in erster Linie an die vier offizielle­n Gebietsbez­eichnungen halten. Die da wären: Lambrusco di Sorbara, Lambrusco Maestri, Lambrusco Graspaross­a und Lambrusco Salamino. In seiner besten Ausführung ist ein trockener, leichter, sanft sprudelnde­r Lambrusco mit ausgewogen­er Säure der ideale Begleiter etwa zu Prosciutto und Salumi, für die seine Heimat, die italienisc­he Region Emilia-Romagna, berühmt ist. Zum Pasta- oder Hauptgang kann man dann ja auf andere Weine umsteigen. Ein idealer Vertreter dieser neuen und charmanten Spielart des Lambrusco ist etwa der leicht trübe, lachsrosa Lambrusco di Sorbara namens Radice vom Weingut Paltrinier­i mit seiner feinen Perlage und den nur elf Prozent Alkoholgeh­alt. www.cantinapal­trinieri.it

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