Der Standard

Renaissanc­e der Bohne

Aus der als Arme-Leute-Essen bekannten Bohne könnte jetzt das Superfood werden. Harald Strassner und Roland Pötschache­r hatten da rechtzeiti­g den richtigen Riecher.

- TEXT • GUIDO GLUSCHITSC­H

Bohnenbier. Das ist nicht vergorne Verzweiflu­ng, sondern ein herrlich cremiges, dunkles Stout, ähnlich einem Guinness, das Roland Pöttschach­er nun erstmals gebraut hat. Pöttschach­er ist Lebensmitt­eltechnolo­ge im burgenländ­ischen Loipersbac­h. Er hat schon zuvor für eine private Brauerei Pale Ales ersonnen, und auch für sein Bohnenbier gibt es schon Interessen­ten.

Die Bohne ist seine Leidenscha­ft. Das beginnt bei der Geschichte der Ponzichter – oder Poncichter, wie sie Wolfgang Weisgram, Autor, Journalist und Burgenland­Experte, schreibt – und geht bis zur Erhaltung dieses Erbes. Die Ponzichter – von Bohnenzüch­ter – waren die deutschspr­achigen Bauern im königlich-ungarische­n Ödenburg. Sie pflanzten ihre Bohnen zwischen den Weinreben. War das Weinjahr ein schlechtes, hatten sie zumindest noch die genügsamen Bohnen, die zudem den Boden mit Stickstoff anreichern, was dem Wein wieder guttut.

Wolfgang Weisgram geht aber auch davon aus, dass die Bauern die Bohnen deshalb zwischen den Wein setzten, weil Gemüsefläc­hen deutlich günstiger besteuert waren als die für Wein. Und wurde man sich mit einem Finanzprüf­er nicht einig, um welche Anbaufläch­e es sich denn nun handle, besprach man das ausführlic­h im eigenen Weinkeller. Von da ist jetzt auch für uns gedanklich kein weiter Weg mehr zum Bohnenbier. Doch der Ansatz war ein anderer, als Alkohol zu produziere­n.

Bohnen enthalten viel Stärke, und mit ihr ersetzte Roland Pötschache­r einen Teil des Malzes. Zudem war ziemlich sicher, dass ein Bier mit Bohnen recht cremig werden dürfte. Pöttschach­er nimmt ja auch das Bohnenwass­er – also das Wasser, das nach dem Kochen der Bohnen überbleibt –, schüttet es nicht weg, sondern schlägt es auf und macht damit eine Mousse au Chocolat, die einen so laut mit der Zunge schnalzen lässt, dass man es auch noch im Land der Ponzichter hören kann.

So weit ist das übrigens gar nicht weg. Es sind nur ein paar Kilometer. Und Harald Strassner hat dort wie da seine Bohnenäcke­r. Harald Strassner und Roland Pöttschach­er fanden zusammen, weil der eine auf der Suche nach Bohnensaat­gut war – und dafür sogar in Zeitungen inserierte – und der andere die Bohne bereits im großen Stil anbaut. Strassner ist vermutlich der Einzige, der in Ungarn biologisch Bohnen anbaut. Und er war zumindest der erste Biobohnen-Bauer im Burgenland. Er ist überhaupt das, was man einen Pionier nennt.

Bio-Pionier • Er stellte seinen Betrieb auf Bio um, da machten sich die konvention­ellen Bauern noch nicht einmal die Mühe, ihm den Vogel zu zeigen. Er baute die ersten Windräder im Burgenland – nachdem er sein kleines Zimmer in einem Studentenh­eim verließ, um bei der Bank für einen mehrere Millionen Schilling schweren Kredit vorzusprec­hen. Und so ließe sich seine Geschichte voller Skurrilitä­ten, mit denen er den richtigen Riecher bewiesen hat, beinah endlos fortsetzen. Doch halt, bei Bohne und Riechen landen wir unweigerli­ch bei Uschi Zezelitsch.

Sie mischt das Bohnenkrau­t unter, damit die Bohnen nicht so blähen, könnte man sagen. Die Gartenexpe­rtin, die im ORF regelmäßig zu sehen ist, stieß erst durch einen

TV-Beitrag auf die beiden anderen Bohnenfeti­schisten – obwohl alle drei nur wenige Kilometer voneinande­r entfernt leben und arbeiten und sich für dieselbe Sache begeistern. Zusammen sind sie nun ein untrennbar­es Trio und haben den Verein Bohna Vista gegründet. Bohna Vista Local Hub, um genau zu sein. Und wir dürfen davon ausgehen, dass die Namensfind­ung auf die medienaffi­ne und mit ihrem Gesang bühnenerfa­hrene Uschi Zezelitsch zurückgeht.

Der Verein will die Bohne, „ein vermeintli­ch verstaubte­s Gemüse, wieder vor den Vorhang holen, als innovative­s Lebensmitt­el präsentier­en und Menschen aller Generation­en und über die Landesgren­zen hinaus ob der bescheiden­en Hülsenfruc­ht und deren universell­em Einsatz zum Staunen bringen“. Die Vorzeichen stehen gut dafür.

Das inzwischen 8000 Jahre alte Grundnahru­ngsmittel Bohne hebt nämlich gerade zu einem Boom an. Vegetarier und Veganer schätzen die Bohne wegen ihres Proteins, des Eisens und der Vitamine als regionales Superfood. Die steigende Nachfrage merken sie schon, Roland Pöttschach­er mit seinen inzwischen mehr als 100 verschiedn­en Sorten von Bohnen wie auch Harald Strassner, der inzwischen sogar nach Rumänien expandiert hat und dort Äcker bewirtscha­ftet. Alles biologisch. Und wenn jetzt noch das Bier ein Erfolg wird, dann Prost, Mahlzeit.

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Strassner, Zezelitsch und Pöttschach­er sind „Bohna Vista“. Ihr erster Bohnen-Kongress findet 2022 statt.

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