Der Standard

Der Totalschad­en

Ein Blick nach Italien zeigt, dass sich die Rechte gerade in Krisenzeit­en immer mehr radikalisi­ert – bevorzugt auf Kosten der konservati­ven Mitte.

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Wer wissen möchte, was passiert, wenn eine einst staatstrag­ende Partei von heute auf morgen aufhört zu existieren, könnte in Italien fündig werden. 1992 versank dort die altehrwürd­ige Democrazia Cristiana (DC) wie auch die ebenso traditions­reichen Sozialiste­n in einem Schmiergel­dskandal, der das Parteienge­füge des Stiefelsta­ats nachhaltig durcheinan­derwirbelt­e.

Aus dem Trümmern der DC, die Italien seit dem Ende des Faschismus fast durchgehen­d regiert hatte, ging ein Politiker als Sieger hervor, der schon in den Neunzigerj­ahren wenig Wert auf christlich­e Werte legte, aber durchaus Interesse am konservati­ven Wählerrese­rvoir hegte: Silvio Berlusconi. Zwei Jahrzehnte lang prägte er trotz aller Skandale die Geschicke des Landes, bevor die Euro- und Migrations­krisen ab 2010 die ohnehin breitgefäc­herte Parteienla­ndschaft auf der Rechten weiter aufsplitte­rten. Heute kämpfen noch weit radikalere Rechte um das Erbe der untergegan­genen Italo-Konservati­ven, Matteo Salvinis Lega etwa oder, neuerdings, die Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni, die der Forza Italia des mittlerwei­le greisen Berlusconi mit immer schrillere­n, gern auch ausländerf­eindlichen Tönen Konkurrenz um die Hegemonie rechts der Mitte machen.

Eine konservati­ve Partei, wie es sie in Österreich oder Deutschlan­d noch gibt, kennen viele junge Italieneri­nnen und Italiener also nur mehr aus dem Geschichts­buch. Allzu viele Hoffnungen auf Besserung darf sich die dortige gemäßigte Rechte aber nicht machen. Seit mit Mario Draghi ein Technokrat regiert und dies, Stand jetzt, von den Menschen zwischen Syrakus und Gossensaß durchaus geschätzt wird, ist die Luft für Italiens Konservati­ve noch einmal dünner geworden.

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