Karl-Heinz Grasser will sein Urteil
Anwälte beantragen, dass Richterin binnen vier Wochen das schriftliche Urteil ausfertigt – Oberlandesgericht ist am Zug
Fast elf Monate ist es her, dass Richterin Marion Hohenecker im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichts das Urteil gegen Karl-Heinz Grasser, Walter Meischberger, Peter Hochegger und andere verkündet hat. Acht Jahre für den Exfinanzminister in der Causa Buwog, sieben für seinen Trauzeugen, den Berater Meischberger, und sechs für den Exlobbyisten Hochegger, so lautete der mündlich verkündete Urteilsspruch im bislang größten Korruptionsprozess der Zweiten Republik. Die Verurteilten meldeten Rechtsmittel an, sechs Freisprüche sind rechtskräftig.
Was freilich noch fehlt: das schriftliche Urteil. Die Richterin arbeitet nach wie vor an dessen Ausfertigung – und das dauert Grasser nun zu lange. Er, bzw. seine Rechtsanwälte Manfred Ainedter und Norbert Wess, haben am 9. September einen sogenannten Fristsetzungsantrag ans Oberlandesgericht (OLG) Wien gestellt, sinngemäß mit dem Begehren, das OLG möge das Straflandesgericht Wien beauftragen, das schriftliche Urteil binnen vier Wochen auszufertigen.
Eingebracht wurde der Antrag – wie im Gerichtsorganisationsgesetz (GOG) vorgesehen – beim Erstgericht, also bei Richterin Hohenecker.
Sie hat den Fristsetzungsantrag am 28. September samt ihrer Stellungnahme ans OLG weitergeleitet, wie die Gerichte auf Anfrage bestätigen. Hohenecker arbeite intensiv an der Ausfertigung des Urteils, so eine Sprecherin des Straflandesgerichts, es handle sich aber um „außerordentlich große Datenmengen“, wird die Dauer des Urteilschreibens wie bisher auch erklärt.
Drei Jahre im Gerichtssaal
Zur Erinnerung: Allein die Verhandlung zur Causa Buwog und Terminal Tower Linz, in die auch der Verfahrensstrang Korruption rund um die Telekom Austria (TA) gehört, hat fast drei Jahre gedauert.
Als Nächstes muss nun also ein Dreiersenat beim OLG entscheiden, ob er der Erstrichterin die vierwöchige Frist setzt. Gemäß Gesetz muss das OLG diese Entscheidung „mit besonderer Beschleunigung fällen“– bis Freitag ist das noch nicht geschehen. Es gebe noch keine Entscheidung, wie der Sprecher des OLG Wien erklärt.
Die Causa Buwog, in der es unter anderem um den Vorwurf der Bestechung und Untreue rund um die honorarreiche Privatisierung der Bundeswohnungsgesellschaft Buwog geht, beschäftigt die Behörden und die Beschuldigten seit langer, langer Zeit. Die Ermittlungen der Wirtschaftsund Korruptionsstaatsanwaltschaft
haben auf Basis eines Zufallsfunds im September 2009 begonnen – also vor zwölf Jahren.
Wegen der langen Verfahrensdauer werden Grassers Anwälte auch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anrufen, wie sie längst angekündigt haben. „Unangemessen“lange Verfahren widersprechen dem Recht auf ein faires Verfahren, das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert ist. Gemäß Judikatur kann das auch dann der Fall sein, wenn nach neun Monaten noch immer kein Urteil da ist. Beruft man sich darauf, muss man sich zuvor quasi gewehrt haben – dazu dient Grassers Fristsetzungsantrag.