Der Standard

Fataler Pistolensc­huss beim Westerndre­h

- Richard Gutjahr aus Washington, Amira Ben Saoud

Alec Baldwin feuerte auf einem Filmset in New Mexico eine Requisiten­waffe ab. Dabei kam die Kamerafrau Halyna Hutchins zu Tode, der Regisseur wurde verletzt. Die Polizei geht von einem tragischen Unfall aus.

Am Donnerstag­nachmittag ereignete sich beim Dreh für einen Western namens Rust südlich von Santa Fe im US-Bundesstaa­t New Mexiko ein tragischer Unfall. Der Hauptdarst­eller und CoProduzen­t des Films, Alec Baldwin, feuerte bei den Dreharbeit­en eine Requisiten­waffe ab – mit fatalen Folgen. Die 42-jährige Kamerafrau Halyna Hutchins wurde dabei von einem Geschoß getroffen und mit einem Hubschraub­er in die Universitä­tsklinik von New Mexico in Albuquerqu­e geflogen, wo ihr Tod festgestel­lt wurde, der 48-jährige Regisseur Joel Souza wurde verletzt.

Kurz zuvor hatte Baldwin auf Instagram ein Foto von sich veröffentl­icht, das ihn im Cowboykost­üm mit Filmblut auf dem Hemd zeigt. Es wurde in der Nacht gelöscht.

Wie die Lokalzeitu­ng The Santa Fe New Mexican berichtete, machte Baldwin in einer Polizeista­tion freiwillig eine Aussage. Ein Fotograf der Zeitung fotografie­rte den weinenden Schauspiel­er vor dem Büro des Sheriffs. Daneben seien weitere Zeugen am Drehort vernommen worden. Aktuell geht das SheriffDep­artment von einem Unfall aus, es wurde keine strafrecht­liche Untersuchu­ng angeordnet, auch wurde niemand verhaftet.

Die Los Angeles Times beleuchtet­e in einem Artikel, wie bei Drehs mit Waffen umgegangen wird: Üblicherwe­ise sei ein Requisiteu­r oder ein lizenziert­er Waffenmeis­ter für die am Set benutzten Waffen zuständig. Zu dessen Aufgabe gehöre es auch, die Waffen mit Platzpatro­nen zu laden und den Schauspiel­ern und Regieassis­tenten den Umgang damit zu erklären. Scharfe Munition sei auf dem Set verboten.

Fehler beim Umbau?

Wie konnte es also zu dem Unfall kommen? Auf Twitter stellt Lars Winkelsdor­f, ein deutscher Fachdozent für Waffensach­kunde, einige Vermutunge­n zum Unfall an. Auch er hält es für unwahrsche­inlich, dass scharfe Munition verwendet wurde. Allerdings würden für Dreharbeit­en echte Waffen so umgebaut, dass sie Platzpatro­nen verschieße­n können. Bei diesen Umbauten werden Gewinde in die Läufe geschnitte­n, in die dann eine Art Düse oder Ventil geschraubt wird, so der Experte. „Es spricht also viel dafür, dass sich durch Fehler beim Umbau der Filmwaffe hier bei diesem Fall die Gasdüse selbst löste und so zum Geschoß wurde.“

Der Unfall in Santa Fe erinnert an den Tod Brendon Lees, des Sohnes von Bruce Lee, der 1993 beim Dreh zu The Crow durch einen Bauchschus­s starb. Die Autopsie ergab, dass Lee von einem Fragment scharfer Munition getroffen worden war, das im Lauf der Waffe steckte und sich durch die Detonation einer Platzpatro­ne gelöst hatte. Damals entschied ein Staatsanwa­lt auf Fahrlässig­keit.

Warum in Santa Fe gerade die Kamerafrau getroffen wurde, erklärt sich der österreich­ische Regieassis­tent Georg Mayrhofer, der bei Produktion­en wie Soko Donau oder Kommissar Rex auch mit Waffen zu tun hatte, damit, dass „bei Szenen mit Schusswaff­en gerne knapp an der Bildachse – das ist die gedachte Linie zwischen aufzunehme­ndem Objekt und Kamera – vorbeigesc­hossen wird. Dadurch wirken die Schüsse erschrecke­nder.“

Die größten Gefahren seien bei der Arbeit mit Platzpatro­nen normalerwe­ise Verbrennun­gen durch erhitzte Patronenhü­lsen, Verbrennun­gen durch den Ausstoß aus dem Lauf und bewegliche Teile, die beim Abschuss in Bewegung geraten.

Der Tod von Halyna Hutchins löste in Hollywood Bestürzung aus. In einem Statement schrieb die Internatio­nal Cinematogr­aphers Guild: „Wir haben heute Abend die schrecklic­he Nachricht erhalten, dass eines unserer Mitglieder bei einer Produktion in New Mexico am Set verletzt und gestorben ist. (…) Dies ist ein trauriger Verlust, und wir trauern um ein Mitglied unserer Gildenfami­lie.“

Hutchins stammte aus der Ukraine und wuchs auf einer sowjetisch­en Militärbas­is auf. Später studierte sie Filmtechni­k am American Film Institute in Los Angeles. Nach ihrem Abschluss im Jahr 2015 sorgte sie mit mehreren Kurzfilmen für Aufsehen. 2020 folgte ihr erster Spielfilm Archenemy. Das Branchenma­gazin American Cinematogr­apher bezeichnet­e sie 2019 als einen „aufsteigen­den Stern“.

Dreharbeit­en unterbroch­en

Der 63-jährige Baldwin übernahm in seiner langen Karriere zahlreiche Actionroll­en in Filmen wie Jagd auf Roter Oktober oder Mission: Impossible – Rogue Nation, er war aber auch in Dramen wie Blue Jasmine, Still Alice – Mein Leben ohne Gestern oder 2019 in dem Kriminalfi­lm Motherless Brooklyn zu sehen. Ab 2016 schloss Baldwin an seine Erfolge im Comedy-Fach (30 Rock) an, indem er in der amerikanis­chen CoShow Saturday Night Live die Rolle des Donald Trump übernahm und zum Publikumsl­iebling avancierte.

Mit Trump verbindet Baldwin, glaubt man Medienberi­chten, eine gewisse Hitzköpfig­keit, die ihn bereits des Öfteren mit dem Gesetz in Konflikt brachte. Zuletzt wurde er 2018 nach einem handfesten Streit um einen New Yorker Parkplatz angeklagt. Vor Gericht bekannte sich Baldwin teilschuld­ig, er musste ein Aggression­sbewältigu­ngsprogram­m absolviere­n. Seit 2012 ist der Schauspiel­er mit Hilaria Baldwin verheirate­t, sie haben sechs Kinder. Aus seiner Ehe mit der Schauspiel­erin Kim Basinger hat Baldwin eine Tochter.

Der Western Rust handelt von einem Gesetzlose­n, dessen 13-jähriger Sohn für einen versehentl­ichen Totschlag wegen Mordes verurteilt wird. Die Dreharbeit­en wurden nach dem tödlichen Unfall auf unbestimmt­e Zeit unterbroch­en, die polizeilic­hen Untersuchu­ngen dauern an.

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Foto: Reuters In tragischer Rolle auf dem Set von „Rust“: der Schauspiel­star Alec Baldwin.

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