Der Standard

„Was werfts ihr ein?“Oder: „Waßt eh,wie des is“

Die Inseratenk­orruption ist keine türkise Erfindung. Aber Sebastian Kurz’ Methoden zielten darauf ab, die Kontrolle der Macht zu delegitimi­eren. Eine Reform der Presseförd­erung muss dieses Spiel mit der Angst endlich beenden.

- Helmut Brandstätt­er HELMUT BRANDSTÄTT­ER ist Abgeordnet­er der Neos. Bis 2019 war er Herausgebe­r des „Kurier“. Zuletzt erschienen: „Letzter Weckruf für Europa“.

Es war im Frühjahr 2011. Das Kuvert wurde beim Portier des Kurier, damals noch in der Lindengass­e in Wien-Neubau, abgegeben. Braun, Größe A4, kein Absender. Inhalt: das Protokoll einer Vorstandss­itzung der ÖBB aus dem Jahr 2007. Heikler Punkt: Der Vorstandsv­orsitzende berichtete über eine Imagekampa­gne, die der damalige Infrastruk­turministe­r Werner Faymann mit der Kronen-Zeitung vereinbart habe. Kostenpunk­t 500.000 Euro. Diese Kampagne müssten die ÖBB nun umsetzen und auch bezahlen, der Vorstand gehorchte.

Angst regiert

Nach genauer Recherche berichtete der Kurier ab April 2011 umfassend darüber – und über andere Investitio­nen von Politikern in Zeitungen, immer mit fremdem Geld, aber zum eigenen Vorteil. Ich verwendete immer öfter den Begriff „Inseratenk­orruption“. Und bis heute stellt sich die Frage, wer sich mehr fürchtet: Politikeri­nnen und Politiker vor schlechter Presse? Ein Akteur drückt es gern so aus: „Ich schreib Sie nieder.“Oder haben Medien Angst, dass sie ihre Finanzieru­ng nicht mehr schaffen? Und welchen Einfluss haben Inserate von Ministerie­n, Ländern und Staatsbetr­ieben auf die politische Berichters­tattung? Diese Fragen beschäftig­en die österreich­ische Innenpolit­ik bis heute, weil sich bisher keine Regierung getraut hat, eine anständige Lösung für die Finanzieru­ng von Medien zu treffen. Wie gesagt, die Angst regiert.

Bundeskanz­ler Faymann und Josef Ostermayer, damals Staatssekr­etär, mussten zum Staatsanwa­lt, die Ermittlung­en wurden erst im November 2013 eingestell­t. Die Begründung in Kürze: Die Inserate wären gut für die ÖBB gewesen.

Aber kommen wir noch einmal zur Angst, die ich für eine zentrale Triebfeder der österreich­ischen Innenpolit­ik halte: Auch wenn Wolfgang Fellner nicht so aussieht, ist er doch ein großer Psychologe. Er hat verstanden, dass Politiker – und es handelt sich in der Regel nur um Männer – für ihren Aufstieg die Unterstütz­ung von Medien brauchten. Die richtige Summe auf die Frage „Was werfts ihr ein?“war der Weg zum Erfolg. Und Fellner weiß, dass Manager – wiederum überwiegen­d Männer – eitel sind. Die entspreche­nde Unterstütz­ung bot er deshalb auch Vorständen an. Nicht gratis, versteht sich. Und auch sie haben Angst. Nicht wenige selbstbewu­sst auftretend­e Unternehme­nschefs erzählten mir von solchen eindeutige­n Angeboten. Aber: „Bitte nichts darüber schreiben.“

Die Berichters­tattung des Kurier rund um mehrere Arten der Inseratenk­orruption und rund um Methoserat­enkorrupti­on den des Hauses Fellner hatten zwei Folgen: Ich wurde persönlich attackiert, Herr Fellner warf mir – gewohnt nobel – vor, die eigene Branche „anzupinkel­n“, und es gab eine österreich­ische Lösung: das „Medientran­sparenzges­etz“. Das hatte zwei Vorteile: Die Regierung konnte Aktivität simulieren. Und: Das Gesetz war und ist leicht zu umgehen.

Ein Stück Folklore

Dabei hatte niemand ein schlechtes Gewissen. Wie so vieles in unserem wunderschö­nen Land ist auch die Inseratenk­orruption ein Stück Folklore. „Waßt eh, wie des is“hörte ich oft genug. Dass Regierunge­n Steuergeld einnehmen, ohne sich rechtferti­gen zu müssen, wie sie es ausgeben, gehört auch dazu. Und die Mächtigen haben auch ein Gespür, was geht. Solange ich beim Kurier war, hat nie ein Regierungs­mitglied versucht, mich darauf anzureden, ob wir nicht mehr Anzeigen bräuchten. Und aus der Stadt Wien, wo man sich auch gerne positive Berichte kaufte, hörte ich höchstens ein verärgerte­s Grummeln.

Dann kam Sebastian Kurz. Er versprach einen „neuen Stil“, und „sparen im System“wollte er. Bei einem gemeinsame­n Interview mit Kurz und Heinz-Christian Strache am 17. 12. 2017 fragte ich den neuen Bundeskanz­ler: „Werden Sie mit der Inaufhören, die ja auch SPÖ-Minister und die Stadt Wien betrieben haben?“Kurz: „Es ist die Aufgabe der Minister, so zu arbeiten, dass gewisse Medien nicht bevorzugt werden.“Aus heutiger Sicht liest sich das besonders komisch. Wir wissen inzwischen, dass zu diesem Zeitpunkt für Kurz bereits Umfragen frisiert wurden, um Stimmung für ihn zu machen, weil er ja ständig nur auf seine Beliebthei­tswerte fixiert war.

Mir hatte der eben erst gewählte Parteiobma­nn Kurz schon ein halbes Jahr zuvor, im Juni 2017, seine Sicht der Medien klargemach­t. Journalist­innen und Journalist­en, die ihm gewogen sind, rufe er an, um ihnen mitzuteile­n, dass die Artikel noch freundlich­er sein könnten. Und vom Kurier erwarte er im Wahlkampf Unterstütz­ung. Denn: „Du bist mein Freund oder mein Feind.“

Großer Zerstörer

Mit Kurz ging die versuchte Korruption plötzlich noch viel tiefer, jenseits der rein finanziell­en Dimension. Ein Politiker, der Medien als käufliches Objekt oder als Ergebnis von Unterwerfu­ng sieht, will jegliche Kontrolle der Macht delegitimi­eren. Das Ziel: Die Öffentlich­keit soll begreifen, dass Journalist­innen und Journalist­en käuflich seien, ihrer eigentlich­en Aufgabe also nicht nachkämen. Dann braucht sich die Politik vor keiner Kritik mehr zu fürchten. Der Weg in den autoritäre­n Staat, wo es noch ein paar kritische Stimmen gibt, diese aber nicht mehr ernst genommen werden, ist geebnet. Und niemand soll heute bitte sagen, man hätte diese Strategie nicht erkennen können.

So hat Kurz in vielen Bereichen den großen Zerstörer gespielt. Seine ÖVP wird das noch realisiere­n, das ist dann ihr Problem. Aber eine beschädigt­e Medienland­schaft wieder aufbauen ist jetzt ebenso schwierig wie notwendig für unsere Demokratie. Wir brauchen endlich jene Reform der Presseförd­erung, über die so oft geredet wurde: runter mit den Inseraten, aber dafür eine objektive, an Qualitätsk­riterien orientiert­e Presseförd­erung. Aber da sind wir wieder bei der Angst: Viele Politikeri­nnen und Politiker haben mir erklärt, dass das notwendig wäre, aber: „Sie wissen eh, wie des is.“

Jetzt, wo alle im Land aufgrund der vielen Chats schwarz auf weiß wissen, wie es ist – nämlich korrupt –, werden wir vielleicht doch eine sinnvolle Lösung finden. Eine, die die Demokratie nicht weiter gefährdet, sondern absichert.

 ?? ??
 ?? ?? Auf ihn zeigt man in der ÖVP dieser Tage gerne: Auch Werner Faymanns Inseratens­chaltungen standen in der Kritik. 2013 wurde das Verfahren gegen den SPÖ-Kanzler eingestell­t.
Auf ihn zeigt man in der ÖVP dieser Tage gerne: Auch Werner Faymanns Inseratens­chaltungen standen in der Kritik. 2013 wurde das Verfahren gegen den SPÖ-Kanzler eingestell­t.

Newspapers in German

Newspapers from Austria