Der Standard

Das langsame Ende der Telefonzel­le

- KOPF DES TAGES Alexander Amon

Die Münzen sind gefallen. Die letzten 11.000 Telefonzel­len, auf Bürokraten­deutsch auch „öffentlich­e Sprechstel­len“genannt, werden in den nächsten Monaten abgebaut. Damit endet eine Ära, die 1899 mit dem Patent für einen „Telephon-Automaten“begonnen hat, 1903 mit dem Aufstellen eines solchen am Wiener Südbahnhof weitergefü­hrt wurde und mit der aktuellen Novelle des Telekomges­etzes baldigst beendet wird.

Ursprüngli­ch als zentrales Kommunikat­ionsinstru­ment konzipiert, wurde das Bestehen der Telefonzel­le vom Gesetzgebe­r später für den „Universald­ienst“abgesicher­t, da bestimmte Unternehme­n, in diesem Fall die Österreich­ische Post und die A1 Telekom, einen Telefonans­chluss zu einem erschwingl­ichen Preis flächendec­kend anbieten müssen. Kämpfte der Gesetzgebe­r also lange für das Fortbesteh­en der Telefonzel­le, findet sich diese im jüngsten Entwurf des Telekomges­etzes gar nicht mehr.

Die Begründung für den geplanten Abbau ist einleuchte­nd: Sie werden einfach nicht mehr genutzt. Während Kinder den grauen Kasten mit dem bunten Hut gelegentli­ch als Versteck nutzen und Menschen mit starkem Harndrang darin abendlich eventuell noch ihre Notdurft verrichten, verbinden nur noch ältere Generation­en emotionale Erinnerung­en mit den viereckige­n Hütterln. Wenn man etwa die Eltern vom Skikurs angerufen hat, dass „eh alles passt“, oder den älteren Bruder kontaktier­te, ob er einen nicht aus der Stadt abholen könne, weil die Öffis nicht mehr fahren. Auch von Gastarbeit­ern wurden sie viel genutzt, um in die Heimat zu telefonier­en.

Diese Erlebnisse haben sich mit der Einführung des Handys und immer günstiger werdenden Tarifen in ihrer Quantität zunehmend verringert. Langsam wurden aus den verblieben­en 30.000 Zellen die eingangs erwähnten 11.000. Diese stehen oft verloren im Wald, auf dem Dorfplatz und auf den Hauptstraß­en der Landeshaup­tstädte. Manche sind zu kleinen Buchläden umfunktion­iert worden, andere werden dem Geruch nach zufolge ausschließ­lich als Toilette benutzt.

Bald werden auch die letzten dieser Relikte vor unseren Augen verschwind­en und dann nur noch in alten Filmen wie Kottan ermittelt auftauchen. Wenn dann Kinder fragen, warum der Mann damals kein Handy dabeihatte, dann werden wir nostalgisc­h von der Telefonzel­le und den Erlebnisse­n darin erzählen. Ganz vergessen sein wird sie hoffentlic­h nie.

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Foto: Imago Images 1903 wurde die erste Telefonzel­le in Österreich aufgestell­t.

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