Wiener Wunder
Im Jahr 1876 gab es neun staatliche Gewerbeschulen außerhalb von Wien: in Salzburg, Graz, Prag, Pilsen, Reichenberg, Brünn, Krakau und Czernowitz. An der Spitze dieses Netzwerks von Schulen aber stand die „Kunstgewerbeschule des k. u. k. Museums für Kunst und Industrie“in Wien. „Um 1900 waren es in der österreichischen Reichshälfte bereits mehr als 200“, notierte Franz Ritter von Haymerle im Zentralblatt für Unterrichtswesen. Zu den großen Protagonisten der Wiener Baukunst zählte Gustav Orglmeister (1861–1953). Als „letzter Wiener k. u. k. Hofbaumeister“ging er in die Geschichte ein. Er war nie der Billigste, dennoch baute er für ... tout Vienne!, wie Kulturhistorikerin Erika Sieder eindrucksvoll in ihrer Monografie belegt. Allein das Werkverzeichnis der Bauten in Wien umfasst acht kleinbedruckte Seiten, das der Bauten in den Kronländern weitere zwei. Gemeinsam mit Dieter Klein gelingt es Erika Sieder, die Bedeutung eines heute weitgehend in Vergessenheit Geratenen zu dokumentieren. Unter Einbeziehung kulturhistorischer, sozialpolitischer sowie zeitgeschichtlicher Aspekte zeigen die Autoren einerseits, was seinerzeit erschaffen, gebaut wurde, andererseits, wie viel auch heute noch erhalten ist und welch Reichtum bis heute das Stadtbild prägt. Zahlreiche klassische Gründerzeitbauten gehen auf den umtriebigen Baumeister zurück. Das Theater in der Josefstadt zählt zu seinem Vermächtnis, ebenso das Hotel Ambassador, Concordiahof, Tuchlaubenhof, Villa Stein, Villa Krebs, Villa Withalm, zahlreiche Pavillons, ganze Straßenfluchten an Wohnhäusern innerhalb des Gürtels. Grandios recherchiert, detailverliebt, exakt beschrieben. Gigantisch ergießt sich heute Orglmeisters OEuvre über Wien. Gregor Auenhammer
Erika Sieder, Dieter Klein, „... Tout Vienne! Gustav Orglmeister, 1861–1953. Der letzte Wiener k. u. k. Hofbaumeister“. € 28,– / 366 S. Verlag Bibliothek der Provinz, Weitra 2021