Der Standard

Spiegel eines Schattensp­ielers

Er führte Regie bei Gruselfilm­en wie „Der Student von Prag“oder „Alraune“und arbeitete an „Nosferatu“mit: Henrik Galeen, geboren 1881 in Lwiw, ehemals Lemberg, ist eine Werkschau gewidmet.

- Bert Rebhandl Metro, 24. bis 29. 10. ➚ Details siehe: www.viennale.at

Das alte Prag war im frühen deutschen Kino für eine Weile die unerklärte Hauptstadt. Es traf sich wohl eher zufällig, dass zwei der wirkmächti­gsten Stoffe aus den 1910er-Jahren auf die Atmosphäre der engen Altstadt setzten: Gustav Meyrinks Roman Der Golem und Der Student von Prag von Hanns Heinz Ewers.

Ewers war ein Okkultist, der es schon damals mit dem später legendären Aleister Crowley (dem „master of the unholy“) hielt.

Man kann dem Kino in diesen Jahren beim Staunen über seine Wirkung förmlich zusehen. Und besonders geeignet waren dafür Geschichte­n mit Doppelgäng­ern, mit Menschen ohne Seele, mit Spiegelung­en – oder mit der unerklärli­chen Abwesenhei­t des zu erwartende­n Gegenbilds.

Unter den vielen Abenteurer­n der neuen Kunst war damals auch Henryk Galeen, geboren 1881 in einer Kleinstadt unweit des habsburgis­chen Lemberg.

Er war über Wien nach Berlin gekommen und hatte beim Theater, unter anderem bei Max Reinhardt, Karriere gemacht. Als er 1914 mit dem imposanten Schauspiel­er Paul Wegener zum ersten Mal den Golem verfilmte, nannte er sich eingedeuts­cht Heinrich.

Allerdings liebte das Publikum eben gerade alles, was exotisch oder fremd wirkte, und so kehrte er bald zu dem Namen Henrik Galeen zurück. Dass das Filmarchiv und die Viennale ihm unter dem Titel Der Schattensp­ieler in diesem Jahr eine historisch­e Monografie widmen, hat wohl auch damit zu tun, dass sich inzwischen die Zahl der zugänglich­en Filme von Galeen ein wenig über die geläufigen Titel hinaus erweitert hat.

Golem als Transforme­r

Ankerpunkt bleibt das GolemFragm­ent aus dem Jahr 1914/15, die Reste eines verscholle­nen Films, der erste Anlauf zu der jüdischen Superhelde­n-Geschichte, in der Wegener eine Art Transforme­r aus dem Mittelalte­r spielt.

1920 folgte auch schon die heute kanonische Fassung – Wegener hatPrag te 1917 sogar noch einen weiteren Golem gemacht –, bei der Galeen nur als Drehbuchau­tor dabei war.

Für seine Bedeutung als Regisseur ist der andere Prager Stoff wichtiger. 1913 erschien Der Student von Prag, eine romantisch­e Geschichte, zu der Guido Seeber mit seinen Doppelbeli­chtungen einen bedeutende­n Spezialeff­ekt lieferte.

Galeen war damals noch nicht dabei, wohl aber Hanns Heinz Ewers und Paul Wegener. 1926 erschien eine Neubearbei­tung, nun unter Galeens Leitung. Er holte aus dem Stoff alles heraus, was er bieten hatte, auch große Landschaft­sszenen mit historisch­en Kostümen.

Im Zentrum aber steht die Szene, in der ein Spiegel wie ein Abgrund wirkt, in den die Geliebte sich förmlich stürzen möchte, um nach dem Bild des Studenten zu greifen, das dort doch unbedingt zu sehen sein müsste.

Heute könnte diese Geschichte über die körperlich­e Verwundbar­keit von Avataren durchaus wieder aktuell sein. Galeen konnte jedenfalls nach seinem Studenten von mit einer weiteren Großproduk­tion seinen Stellenwer­t bestätigen: Alraune beruht ebenfalls auf einem Buch von Ewers und geht von dem Schauerbil­d eines Gehenkten aus.

In dem Erdreich darunter wächst eine Wurzel heran, die – nach dem Erbgesetze­n einer verwegenen Biologie – zu einem Sacré-Coeur-Mädchen wird, gespielt von Brigitte Helm, dem Superstar aus Fritz Langs Metropolis.

Auch bei Alraune gibt es in zeitlicher Nachbarsch­aft eine andere Bearbeitun­g von Richard Oswald, die sogar ein bisschen berühmter ist, man sieht daran sehr gut den Wildwuchs, der damals bei erfolgreic­hen Sujets herrschte.

Gespannt darf man im Rahmen der Viennale nun auf die Galeen-Filme Stadt in Sicht (1923) und After the Verdict (1929) sein, zu denen es bisher wenig Material gibt. 1933 verließ Galeen Deutschlan­d, im Exil hat er nicht mehr für das Kino gearbeitet. 1949 starb er in Amerika.

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Geschaffen aus dem Samen eines gehenkten Lustmörder­s ward der künstliche Vamp „Alraune“(li.), und auch beim „Golem“wurde nachgeholf­en.

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