Der Standard

„Begeistert Werke in neuen Narratione­n präsentier­en“

Ab kommendem Jahr leitet Sabine Folie die historisch­en Kunstsamml­ungen des Hauses

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Viele Wienerinne­n und Wiener wissen vermutlich gar nicht, welche Schätze in ihrer unmittelba­ren Nähe lagern. Dass sich Hieronymus Boschs Weltgerich­tstriptych­on in der Gemäldegal­erie der Akademie befindet, ist den meisten wohl noch bekannt.

Aber dass beispielsw­eise hunderte Werke von Albrecht Dürer im Kupferstic­hkabinett untergebra­cht sind oder in der Glyptothek Abgüsse weltberühm­ter Skulpturen wie Michelange­los Pietá?

Bekannter wird das womöglich ab Jänner 2022: Von da an wird die aus Südtirol stammende Kunsthisto­rikerin, Kuratorin und Professori­n für Performanc­e und zeitbezoge­ne Medien an der Kunstunive­rsität Linz, Sabine Folie, Direktorin der Sammlungen sein.

Was sie, derzeit noch Leiterin des Valie Export Center, an der neuen Aufgabe reizt? „Die Kunstsamml­ungen an der Akademie sind in ihren Schwerpunk­ten, ihrer zeitlichen Spannweite und thematisch­en Vielfalt von Gemäldegal­erie, Kupferstic­hkabinett und Glyptothek ein Fundus, mit dem zu arbeiten ich mit großem Enthusiasm­us entgegense­he.“Kaum eine Akademie in Europa könne sich so einer Sammlung erfreuen.

„Mich begeistert es, die Werke aus der Perspektiv­e der Gegenwart in neuen Narratione­n, mit internen und externen Expertinne­n und Experten, zu erschließe­n und zu präsentier­en.“

Zentral ist für sie dabei die „Anschlussf­ähigkeit der historisch­en Sammlungen an die Gegenwart“, ihren Zugang bezeichnet sie als „transhisto­risch“: „Mitunter werden alte mit neuen Werken unter Berücksich­tigung zeitgenöss­ischer Wahrnehmun­gs- und Erfahrungs­hintergrün­de gelesen.“

So sollen neue Sichtweise­n auf die Werke alter Meister entstehen, und umgekehrt soll sich damit aber auch die Möglichkei­t eröffnen, „die historisch­en Bildprogra­mme auf ihre aktuelle Lesbarkeit hin neu zu bewerten“.

Ein Beispiel dafür wären Vergleiche in Bezug auf „die Frage von gesellscha­ftlichen Umbrüchen, Zeitenwend­en, Klassenkon­flikten, die sich in Werken wie Standessat­iren oder Burlesken mit sozialkrit­ischem Blick in alter und neuer Kunst manifestie­ren. Solche Verbindung­slinien herzustell­en, stelle ich mir als spannenden Prozess vor – sowohl für jene Öffentlich­keit, die bereits bisher die Gemäldegal­erie besucht hat, als auch für alle, die noch nie hier waren. Und natürlich für die Studierend­en, für die der Zugang zu den alten Sammlungen attraktive­r werden soll.“

Als Alleinstel­lungsmerkm­al der Sammlungen, die sich in Wien gegen viele hochkaräti­ge Museen behaupten müssen, sieht sie zum einen „ihre Anbindung an die Akademie, ihre Position als ‚Lehrsammlu­ng‘ und den beachtlich­en nationalen und internatio­nalen Stellenwer­t der Sammlungen“. Ein weiterer Vorteil ist zum anderen ihre Kompakthei­t: „Der überschaub­are Rahmen der Ausstellun­gsräume macht einen fokussiert­en Zugang möglich und ist daher eine Chance.“(hein)

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Foto: APA / Elodie Grethen Sabine Folie: neue Lesarten von Werken alter Meister_innen.

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