Erdoğan lässt sich als starker Mann feiern
Türkei setzt sich im Konflikt mit westlichen Diplomaten um Menschenrechtler Kavala durch
War alles nur ein Sturm im Wasserglas? Am Montagabend erklärte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan den Konflikt um zehn westliche Botschafter für beendet. Nachdem er zuvor noch einmal in drastischen Worten die Einmischung der zehn ausländischen Regierungen kritisiert hatte, die in einer gemeinsamen Erklärung am 18. Oktober gefordert hatten, dass der seit vier Jahren ohne Urteil inhaftierte Kulturmäzen Osman Kavala freigelassen werden soll, nahm Erdoğan dann auf eine neuerliche Erklärung der Botschaften von Montagnachmittag Bezug: Darin hatte zuerst die US-Botschaft, der dann alle anderen neun folgten, dargelegt, dass sie die Wiener Konvention, die den Austausch von Botschaftern regelt, weiterhin befolgen werde – inklusive die Vorschriften in Artikel 41. Dieser Passus regelt, dass sich Botschafter nicht in die inneren Angelegenheiten ihrer Gastgeberländer einmischen dürfen.
Diese verklausulierte Erklärung, der sich im Laufe des Nachmittags auch Deutschland und Frankreich angeschlossen haben, wurde in den türkischen Medien sofort als Rückzieher der westlichen Mächte interpretiert, nachdem Erdoğan noch am Samstag mit der Ausweisung aller zehn Botschafter gedroht hatte.
Mit versteinerter Mine verkündete Erdoğan am Abend dann seinen Triumph. „Mit der neuen Erklärung von heute ist die Einmischung vom letzten Montag zurückgenommen“, sagte er vor Ministern und hohen Parteileuten. „Wir gehen davon aus, dass die Botschafter in Zukunft vorsichtiger sein werden und unsere Souveränität achten werden. Wer das nicht befolgt, kann nicht in unserem Land bleiben.“
Diplomatische Kunst
Tatsächlich arbeiteten amerikanische Diplomaten über das Wochenende mit dem außenpolitischen Berater Erdoğans, Ibrahim Kalin, eine Formulierung aus, in der von Osman Kavala plötzlich nicht mehr die Rede ist. Stattdessen erklären die zehn Mächte nun: „Auf Fragen bezüglich der Erklärung vom 18. Oktober bekräftigen wir, dass wir Artikel 41 der Wiener Konvention über diplomatische Beziehungen respektieren.“
Die Erklärung war nicht nur ein formaler, sondern auch inhaltlicher Rückzieher, der Erdoğan die Möglichkeit geben sollte, seine Drohung nach einer Ausweisung der Botschafter der USA, Deutschlands, Frankreichs, der skandinavischen Länder, der Niederlande, Kanadas und Neuseelands zurückzunehmen. Aus türkischer Sicht ein klarer Sieg über die Staaten, die „die türkische Justiz beleidigt haben und unsere Souveränität infrage stellen wollten“, wie Erdoğan am Montagabend sagte.
Ausländische Politiker äußerten sich am Dienstag dennoch erleichtert über den Ausgang der Krise, und auch der deutsche EU-Botschafter in Ankara, Nikolas Meyer-Landrut, sagte, damit sei für alle „ein gesichtswahrender Ausweg gefunden worden“.
Zurück bleiben ein inhaftierter Menschenrechtler und dessen Unterstützer: Sie mussten mehr oder weniger betreten zur Kenntnis nehmen, dass der US-Regierung – sie hatte die gemeinsame Erklärung laut New York Times ursprünglich eingefädelt – dann doch andere strategische Interessen wichtiger waren als die schlimme Situation von Osman Kavala. Zumindest als es hart auf hart kam.