Asteroiden trafen junge Erde häufiger als gedacht
Neuen Ergebnissen zufolge könnte es zehnmal mehr Einschläge gegeben haben als angenommen. Erst danach konnte sich die sauerstoffreiche Atmosphäre entwickeln.
Dass die Zusammensetzung der Atmosphäre nicht in Stein gemeißelt ist, sondern – zum Teil drastischen – Veränderungen unterliegt, ist spätestens durch die intensive Beschäftigung mit den Folgen des Klimawandels einer breiten Öffentlichkeit ins Bewusstsein gerückt worden. Doch die Veränderlichkeit des Erdklimas ist grundsätzlich kein neues Phänomen, sondern so alt wie der Planet selbst. Vor allem der Anteil des Sauerstoffs in der Atmosphäre entsprach lange bei weitem nicht dem hohen Wert unserer Zeit.
Während der rasche Wandel, mit dem die Menschheit sich heute herumschlagen muss, auf hausgemachte Ursachen zurückgeht, sind frühere Veränderungen auf ein Bündel von Faktoren zurückzuführen. Manche davon kamen von außerhalb: Impakte haben seit der Entstehung des Sonnensystems die Oberfläche und Atmosphäre der Erde immer wieder entscheidend beeinflusst. Dabei kam es auch zu großen Massenaussterben wie jenem der Dinosaurier an der Grenze zwischen Kreidezeit und Paläogen. Damals schlug auf der Halbinsel Yucatan ein mehr als zehn Kilometer großer Asteroid ein und hinterließ den gut erhaltenen Chicxulub-Krater.
Impaktserie
Doch Impakte dieser Größenordnung sind in der jüngeren Erdgeschichte selten, ganz im Gegensatz zur jungen Erde. Insbesondere im Archaikum vor 2,5 bis vier Milliarden Jahren war unser Planet einer Reihe von gewaltigen Einschlägen ausgesetzt. Danach begann vor etwa 2,4 Milliarden Jahren ein dramatischer Anstieg des Sauerstoffanteils in der Atmosphäre, der als Great Oxidation Event (GOE) bezeichnet wird.
Ein Forscherteam unter Beteiligung von Experten der Universität Wien unter der Leitung des Southwest Research Institute (SwRI) in Boulder im US-Bundesstaat Colorado hat nun den möglichen Einfluss dieses Bombardements auf den Sauerstoffgehalt der Atmosphäre untersucht und in der Fachzeitschrift Nature Geoscience veröffentlicht. Von diesen frühen Impakten sind keine Krater mehr erhalten – die ältesten bekannten Impaktstrukturen auf der Erde sind etwas über zwei Milliarden Jahre alt –, dennoch haben die großen Asteroiden und Kometen Spuren hinterlassen: die freigesetzte Energie ließ Teile der Erdkruste aufschmelzen und verdampfen.
Die Tropfen des flüssigen Gesteins kondensierten in höheren Schichten der Atmosphäre und regneten schließlich als millimetergroße Glaskügelchen auf die Erdoberfläche nieder. Diese Sphärulen genannten Kügelchen sind weltweit zu finden und in dünnen Schichten abgelagert, insbesondere in Südafrika und Australien wurden in den vergangenen Jahren mehrere dieser Belege für Impaktereignisse nachgewiesen. An der Universität Wien hat der Impaktforscher Christian Köberl gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Toni Schulz diese Ablagerungen isotopengeochemisch analysiert, um die Anzahl der unterschiedlichen Schichten abschätzen zu können.
Im Zeitraum zwischen 2,4 und 3,5 Milliarden Jahren ermittelten die Forscher eine wahrscheinliche Zahl von 16 solcher Lagen, wobei die Bandbreite bei mindestens elf und maximal 35 Schichten liegt. Der Hauptautor der Studie, Simone Marchi von SwRI, nimmt aufgrund dieser Daten an, dass die Zahl der Impakte in dieser Zeit um bis zu zehnmal höher lag als bisher vermutet: „Bisherige Bombardementmodelle unterschätzten die Anzahl der spätarchäischen Kugelschichten.“
Bereits bekannt war, dass der atmosphärische Sauerstoffgehalt im frühen Archaikum auf einem niedrigen Niveau variierte. Die Masse der Impaktoren fungierte als eine Art Sauerstoffspeicher und habe den Anstieg des Sauerstoffgehalts nachhaltig verzögert, folgert Marchi. Der ohnehin geringe Anteil an freiem Sauerstoff in der Atmosphäre würde bei einem derart intensiven Bombardement mit Objekten jenseits von zehn Kilometer Durchmesser durch freigesetzte reaktive Gase völlig aufgebraucht.
Einschläge regulieren Atmosphäre
Vor etwa 2,5 Milliarden Jahren stieg der Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre kurzfristig steil an. „Wir glauben, dass dieser Anstieg durch Einschläge unterbrochen wurde, da diese der Atmosphäre den Sauerstoff wieder entzogen. Dies steht im Einklang mit sonstigen großen globalen Auswirkungen, die durch die damaligen Einschläge erfolgten“, sagt Christian Köberl.
Mit dem Ende des Bombardements begann die Phase des GOE, das auch als „Große Sauerstoffkatastrophe“bekannt ist. Es stellt eines der größten Aussterbeereignisse dar: Anaerobe einzellige Organismen, die ältesten Lebensformen auf der Erde, schieden bei ihrem Stoffwechsel – für sie giftigen – Sauerstoff aus. Als dieser nicht mehr durch Oxidationsvorgänge gebunden werden konnte, reicherte sich der überschüssige freie Sauerstoff im Meer und in der Atmosphäre an.
Die immer selteneren Kollisionen konnten den Anstieg des Sauerstoffgehalts nicht mehr bremsen. Damit war der Weg für die Entwicklungen frei, die der Erde ihre heutige Gestalt gaben. Auf das GOE folgte zunächst jedoch noch eine mehrere Hundert Millionen Jahre lange Eiszeit.