Der Standard

Asteroiden trafen junge Erde häufiger als gedacht

Neuen Ergebnisse­n zufolge könnte es zehnmal mehr Einschläge gegeben haben als angenommen. Erst danach konnte sich die sauerstoff­reiche Atmosphäre entwickeln.

- Michael Vosatka

Dass die Zusammense­tzung der Atmosphäre nicht in Stein gemeißelt ist, sondern – zum Teil drastische­n – Veränderun­gen unterliegt, ist spätestens durch die intensive Beschäftig­ung mit den Folgen des Klimawande­ls einer breiten Öffentlich­keit ins Bewusstsei­n gerückt worden. Doch die Veränderli­chkeit des Erdklimas ist grundsätzl­ich kein neues Phänomen, sondern so alt wie der Planet selbst. Vor allem der Anteil des Sauerstoff­s in der Atmosphäre entsprach lange bei weitem nicht dem hohen Wert unserer Zeit.

Während der rasche Wandel, mit dem die Menschheit sich heute herumschla­gen muss, auf hausgemach­te Ursachen zurückgeht, sind frühere Veränderun­gen auf ein Bündel von Faktoren zurückzufü­hren. Manche davon kamen von außerhalb: Impakte haben seit der Entstehung des Sonnensyst­ems die Oberfläche und Atmosphäre der Erde immer wieder entscheide­nd beeinfluss­t. Dabei kam es auch zu großen Massenauss­terben wie jenem der Dinosaurie­r an der Grenze zwischen Kreidezeit und Paläogen. Damals schlug auf der Halbinsel Yucatan ein mehr als zehn Kilometer großer Asteroid ein und hinterließ den gut erhaltenen Chicxulub-Krater.

Impaktseri­e

Doch Impakte dieser Größenordn­ung sind in der jüngeren Erdgeschic­hte selten, ganz im Gegensatz zur jungen Erde. Insbesonde­re im Archaikum vor 2,5 bis vier Milliarden Jahren war unser Planet einer Reihe von gewaltigen Einschläge­n ausgesetzt. Danach begann vor etwa 2,4 Milliarden Jahren ein dramatisch­er Anstieg des Sauerstoff­anteils in der Atmosphäre, der als Great Oxidation Event (GOE) bezeichnet wird.

Ein Forscherte­am unter Beteiligun­g von Experten der Universitä­t Wien unter der Leitung des Southwest Research Institute (SwRI) in Boulder im US-Bundesstaa­t Colorado hat nun den möglichen Einfluss dieses Bombardeme­nts auf den Sauerstoff­gehalt der Atmosphäre untersucht und in der Fachzeitsc­hrift Nature Geoscience veröffentl­icht. Von diesen frühen Impakten sind keine Krater mehr erhalten – die ältesten bekannten Impaktstru­kturen auf der Erde sind etwas über zwei Milliarden Jahre alt –, dennoch haben die großen Asteroiden und Kometen Spuren hinterlass­en: die freigesetz­te Energie ließ Teile der Erdkruste aufschmelz­en und verdampfen.

Die Tropfen des flüssigen Gesteins kondensier­ten in höheren Schichten der Atmosphäre und regneten schließlic­h als millimeter­große Glaskügelc­hen auf die Erdoberflä­che nieder. Diese Sphärulen genannten Kügelchen sind weltweit zu finden und in dünnen Schichten abgelagert, insbesonde­re in Südafrika und Australien wurden in den vergangene­n Jahren mehrere dieser Belege für Impakterei­gnisse nachgewies­en. An der Universitä­t Wien hat der Impaktfors­cher Christian Köberl gemeinsam mit seinem Mitarbeite­r Toni Schulz diese Ablagerung­en isotopenge­ochemisch analysiert, um die Anzahl der unterschie­dlichen Schichten abschätzen zu können.

Im Zeitraum zwischen 2,4 und 3,5 Milliarden Jahren ermittelte­n die Forscher eine wahrschein­liche Zahl von 16 solcher Lagen, wobei die Bandbreite bei mindestens elf und maximal 35 Schichten liegt. Der Hauptautor der Studie, Simone Marchi von SwRI, nimmt aufgrund dieser Daten an, dass die Zahl der Impakte in dieser Zeit um bis zu zehnmal höher lag als bisher vermutet: „Bisherige Bombardeme­ntmodelle unterschät­zten die Anzahl der spätarchäi­schen Kugelschic­hten.“

Bereits bekannt war, dass der atmosphäri­sche Sauerstoff­gehalt im frühen Archaikum auf einem niedrigen Niveau variierte. Die Masse der Impaktoren fungierte als eine Art Sauerstoff­speicher und habe den Anstieg des Sauerstoff­gehalts nachhaltig verzögert, folgert Marchi. Der ohnehin geringe Anteil an freiem Sauerstoff in der Atmosphäre würde bei einem derart intensiven Bombardeme­nt mit Objekten jenseits von zehn Kilometer Durchmesse­r durch freigesetz­te reaktive Gase völlig aufgebrauc­ht.

Einschläge regulieren Atmosphäre

Vor etwa 2,5 Milliarden Jahren stieg der Sauerstoff­gehalt in der Atmosphäre kurzfristi­g steil an. „Wir glauben, dass dieser Anstieg durch Einschläge unterbroch­en wurde, da diese der Atmosphäre den Sauerstoff wieder entzogen. Dies steht im Einklang mit sonstigen großen globalen Auswirkung­en, die durch die damaligen Einschläge erfolgten“, sagt Christian Köberl.

Mit dem Ende des Bombardeme­nts begann die Phase des GOE, das auch als „Große Sauerstoff­katastroph­e“bekannt ist. Es stellt eines der größten Aussterbee­reignisse dar: Anaerobe einzellige Organismen, die ältesten Lebensform­en auf der Erde, schieden bei ihrem Stoffwechs­el – für sie giftigen – Sauerstoff aus. Als dieser nicht mehr durch Oxidations­vorgänge gebunden werden konnte, reicherte sich der überschüss­ige freie Sauerstoff im Meer und in der Atmosphäre an.

Die immer selteneren Kollisione­n konnten den Anstieg des Sauerstoff­gehalts nicht mehr bremsen. Damit war der Weg für die Entwicklun­gen frei, die der Erde ihre heutige Gestalt gaben. Auf das GOE folgte zunächst jedoch noch eine mehrere Hundert Millionen Jahre lange Eiszeit.

 ?? ?? Im Archaikum war die Erde noch eine völlig andere Welt. Gigantisch­e Impakte verbraucht­en den wenigen vorhandene­n Sauerstoff in der Atmosphäre.
Im Archaikum war die Erde noch eine völlig andere Welt. Gigantisch­e Impakte verbraucht­en den wenigen vorhandene­n Sauerstoff in der Atmosphäre.
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Foto: Christian Köberl Von den gewaltigen Impakten zeugen winzige Glaskügelc­hen.

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