Der Standard

Alter Grenzbach sucht neues Bett

Die Kutschenit­za an der steirisch-slowenisch­en Grenze wurde ab den 1960er-Jahren massiv reguliert. Forscher suchen nun nach Strategien für eine vorsichtig­e Renaturier­ung des Fließgewäs­sers.

- Alois Pumhösel

Die Kutschenit­za ist zwar nur ein kleiner Bach, dennoch hat sie eine große politische Bedeutung. Einst grenzte das Gewässer das mittelalte­rliche Herzogtum Steyer vom Königreich Ungarn ab. Als 1918 die K.-u.-k.-Monarchie zerfiel, trennte die Kutschenit­za das verblieben­e Österreich vom Königreich Jugoslawie­n, dem das Land auf der Ostseite damals zufiel. Im Kalten Krieg führte hier schließlic­h der Eiserne Vorhang entlang. Bis heute ist dieser östlichste Bach des südoststei­rischen Grabenland­es auf der Strecke zwischen Sankt Anna am Aigen und Bad Radkersbur­g eine Grenze, nun zwischen Österreich und Slowenien.

Das Antlitz der Kutschenit­za hat sich aber enorm verändert. Einst mäanderte sie in wilden Schlingen durch die sanfte Hügellands­chaft zwischen Raab und Mur. Doch ab den 1960er-Jahren war es damit vorbei. Denn immer wieder stieg der Bach über die Ufer und verschlamm­te die Wiesen der ansässigen Bauern. Die Ziviltechn­iker von damals antwortete­n mit einer harten Regulierun­g: Die Kutschenit­za wurde schnurgera­de und bekam ein trapezförm­iges, steinernes Bachbett.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs entstand die Idee, dass an seiner Stelle ein grünes Band treten sollte. Bis heute arbeitet die GreenBelt-Initiative an Schutzgebi­eten entlang der Grenzverlä­ufe. Bei der Kutschenit­za wird schon jahrelang über eine Renaturier­ung nachgedach­t. Die Regulierun­g zerriss nicht nur viele der ökologisch­en Netzwerke, sie ließ auch den Grundwasse­rspiegel absinken. Auch die Wasserqual­ität hat stark gelitten.

Nach früheren Bemühungen wurde zuletzt das EU-Interregpr­ojekt „Renata“ins Leben gerufen, um Strategien für eine „nachhaltig­e Wasserwirt­schaftstra­tegie zur Verbesseru­ng des ökologisch­en Zustands“auszuarbei­ten. Marion Rabelhofer von der Forschung Burgenland, einem Unternehme­n der FH Burgenland, und ihr Team arbeiten dabei mit dem Institute for Hydraulic Research in Ljubljana zusammen, wo die Projektlei­tung liegt.

„Heute fließt die Kutschenit­za über eine Distanz von etwa 24 Kilometern. Vor ihrer Regulierun­g dürfte sie mit allen Bachschlin­gen aber wohl doppelt so lang gewesen sein“, sagt Rabelhofer. Dass man zu diesem Zustand zurückkehr­t, ist aber – schon aufgrund der „staatstrag­enden“Rolle als Grenzbach – unwahrsche­inlich. Doch, wo möglich, sollen mit den Gemeinden beiderseit­s der Grenze, Grundeigne­rn und weiteren Interessen­trägern Möglichkei­ten zur Verbesseru­ng des Status quo gefunden werden.

Während sich die slowenisch­en Projektpar­tner um das Gewässerma­nagement kümmern, ist die österreich­ische Seite für Ökologie und Biodiversi­tät zuständig. Dabei wird gemeinsam mit Biologen eine Bestandsau­fnahme gemacht, indem eine Reihe von Messpunkte­n bestimmt wird – ein Teil davon im Bereich des Naturschut­zgebiets Höll. Die hier gesammelte­n Daten sollen zu einer ökologisch­en Einschätzu­ng der Bachlandsc­haft führen. Dabei vergleicht man die Befunde mit Daten des ähnlichen, aber weitgehend natürlich erhaltenen Klausenbac­hs im Burgenland.

Bachmusche­l-Paradies

Besondere Aufmerksam­keit gilt etwa den Bachmusche­ln, die in der Kutschenit­za noch in erstaunlic­h hoher Anzahl vorhanden sind, sowie dem Einfluss eingeschle­ppter Arten. Beispielsw­eise soll erkundet werden, ob es noch Edelkrebsb­estände gibt. Sie sind durch eine Pilzerkran­kung gefährdet, die mit dem aus Nordamerik­a eingeschle­ppten Signalkreb­s Verbreitun­g fand.

Gleichzeit­ig arbeiten Rabelhofer und Team an einem Partizipat­ionsprozes­s, der alle Interessen­gruppen – vom angrenzend­en Bauern bis zu den zuständige­n Ministerie­n – einbeziehe­n soll. Eine erste Umfrage, die Einstellun­gen sowie mögliche Konfliktpu­nkte eruiert, wird bereits ausgewerte­t. Workshops und andere Beteiligun­gsformen folgen.

Letzten Endes sucht man nach einem Weg, um der Kutschenit­za zumindest ein wenig mehr Raum zu verschaffe­n. Die Wiederanbi­ndung ehemaliger Arme und Flussverlä­ufe steht zur Debatte. Zwei Vorschläge für Abschnitte mit neuem Flussbett werden erarbeitet, ebenso Möglichkei­ten einer Verbesseru­ng der Lebensraum­vielfalt im Bach sowie seiner Selbstrein­igungsfähi­gkeiten. Ende 2022 sollen konkrete Handlungse­mpfehlunge­n vorliegen.

 ?? ?? Wo einst eine Bachschlin­ge der Kutschenit­za der nächsten folgte, ist heute ein schnurgera­des Bachbett.
Wo einst eine Bachschlin­ge der Kutschenit­za der nächsten folgte, ist heute ein schnurgera­des Bachbett.

Newspapers in German

Newspapers from Austria