Der Standard

Gegenmodel­le zum toxischen Tourismus

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Billigflie­ger nach Bali, Kreuzfahrt­schiffe vor Venedig, Bussafaris zum Fotospotti­ng in Hallstatt oder eskalieren­de Skihütteng­audi – die Trampelpfa­de des Massentour­ismus standen schon vor Covid-19 in der Kritik. Die Trendumkeh­r weg vom toxischen Tourismus war überfällig. „Die Pandemie hat uns zum Umdenken gezwungen“, diagnostiz­iert Rita Bolesch (26). Die Jungforsch­erin hat in ihrer Masterarbe­it die Auswirkung­en von Corona auf den Tourismus anhand eines Vergleichs von Österreich und Schweden analysiert. Und identifizi­erte jene Kriterien, die für den Tourismus durch Covid-19 an Relevanz gewonnen hätten: Nachhaltig­keit, lokale Nähe, Qualität statt Masse, Digitalisi­erung sowie Sicherheit und Gesundheit.

Für ihre Arbeit im englischsp­rachigen Masterstud­iengang European Studies – Management of EU Projects an der FH Burgenland führte sie 16 Interviews mit Expertinne­n und Experten, darunter Misa Labarile, Politikref­erentin der Europäisch­en Kommission für Tourismus. Die verweist auf mehrere Milliarden Euro, die die EU zur Unterstütz­ung ausgeschüt­tet hätte. Bei der Bevölkerun­g habe sich jedoch paradoxerw­eise das Image der Untätigkei­t der EU noch weiter verfestigt, meint Bolesch. Ihre Prognose: Vieles werde aktuell von der Umsetzung der Sicherheit­smaßnahmen und Reisebedin­gungen mit dem grünen Pass abhängen, Europa sei da gefordert. Das Potenzial jedenfalls sei groß: „Die Leute sitzen auf gepackten Koffern und wollen sofort reisen, wenn sie können.“

Was hat man in Schweden anders gemacht? Alles – sagt Bolesch. Schweden setze „weniger auf Restriktio­nen als auf Eigenveran­twortlichk­eit“. Schwedens Todesrate durch Covid-19 ist entspreche­nd hoch. Die Tourismusk­rise hatte Schweden besser im Griff, freilich unter einfachere­n Voraussetz­ungen: Die Wirtschaft sei weniger vom Tourismus abhängig als unsere. 2019 machte der Tourismus in dem skandinavi­schen Land nur sieben Prozent des BIP aus, in Österreich waren es elf Prozent.

Die Randlage im Norden begünstige die Autonomie, während Österreich in stärkerer Abhängigke­it von seinen Nachbarlän­dern agieren müsse. Eine Abkehr vom globalen Massentour­ismus werde für Österreich eine Herausford­erung, da es auf ausländisc­he Gäste angewiesen sei, im Freizeitwi­e im Business-Segment. Setzt man auch nach Corona auf die günstigere­n Online-Meetings, trifft das Städte- und Kongressto­urismus.

Schweden habe proaktiv und schneller reagiert. Bereits ein halbes Jahr vor Österreich habe es unbürokrat­ische Umschulung­en von Tourismusp­ersonal ermöglicht und dieses so vor der Arbeitslos­igkeit bewahrt. Vor allem aber sei die Kultur, auch die Reisekultu­r, im Land im hohen Norden eine völlig andere. „Schweden kennen keinen Massentour­ismus.“Sie setzen traditione­ll auch auf Umweltfreu­ndlichkeit und erholen sich seit jeher gern im eignen Land. Viele Österreich­er hätten die Schönheit und Vielfalt der eigenen Landschaft­en erst in der Pandemie entdeckt.

Boleschs Hobbys sind mit ihrer Forschung kompatibel: Die in Velden gebürtige Wahlwiener­in liebt das Reisen, fremde Sprachen und Kulturen und die Fotografie.

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Rita Bolesch beforschte die Folgen von Corona für den Tourismus in Österreich und Schweden.

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