Michael Gruner 1945–2021
Der deutsche Theaterregisseur überzeugte auch am Volkstheater und im Nestroyhof
Wien – Als Schauspieler tänzelte er 1966 jung und leichtfüßig durch die Uraufführungsinszenierung von Peter Handkes Publikumsbeschimpfung im Frankfurter Theater am Turm: Michael Gruner. Als Regisseur gehörte er alsbald zur Riege der Schwernehmer – Gruner, der aus dem Vogtland stammte, verbat sich inszenatorische Schnellschüsse.
Er galt als sensibler Entzifferer noch der kompliziertesten Stücke: ein Meister des Hell-Dunkel-Kontrastes, der verzückt auf die Eigenwilligkeiten seiner Schauspielerinnen blicken konnte. Aus vermeintlichen Alltagsmenschen kratzte Gruner die dämonischen Anteile heraus. Seine Engagements führten ihn von Düsseldorf (unter Stroux) nach Hamburg ans Thalia-Theater, ehe er nach Stuttgart übersiedelte. Um ein Haar hätte Gruner dort 1993 zusammen mit Peter Iden und Cesare Lievi ein Dreierdirektorium bilden sollen. Entsprechende Pläne zerschlugen sich; von Gruners Wandertrieb profitierte hingegen in den 1990er-Jahren auch das Wiener Volkstheater. Dort trieb er als exemplarischer Horváth-Regisseur dessen Volksstücken die Süße aus. Schauspielerinnen wie Vera Borek erklommen mit und durch Gruner darstellerische Gipfel. Als langjähriger Intendant des Schauspiels in Dortmund verharrte Michael Gruner unverdient in der „zweiten Reihe“. Sein anthroposophisch unterfütterter Humanismus machte noch dann Schule, als er im Wiener Hamakom-Theater Stücke gegen den Strich bürstete. Bereits krank, bereitete Gruner zuletzt eine Premiere von Nino Haratischwili vor. Jetzt ist Michael Gruner 76-jährig seinem Krebsleiden erlegen.