Der Standard

Corona: Folgen der Gesundbete­rei

- HANS RAUSCHER hans.rauscher@derstandar­d.at

Ob Pamela Rendi-Wagner nun vorsichtig zur FPÖ „aufgemacht“hat oder nicht – das ist objektiv völlig egal, denn die Idee, mit der Kickl-FPÖ auch nur informell zu regieren, ist lachhaft. Der Vorsitzend­e der drittgrößt­en Partei in Österreich verbreitet­e am Montag in einer Pressekonf­erenz bezüglich Corona einen derart abenteuerl­ichen Blödsinn, wie man ihn nur noch auf den verrücktes­ten Weltversch­wörungsweb­sites serviert bekommt.

Kickl setzte seine Kampagne gegen das Impfen mit den FakeNews fort, es gäbe „rasante Verbreitun­g der Infektion durch die Geimpften“, und er empfahl das Pferdewurm­mittel Ivermectin, dessen Wirkungslo­sigkeit für alle außer Corona-Schwurbler­n längst bewiesen ist.

Viel Glück mit einem solchen potenziell­en Partner. Tatsächlic­h ging der neue Bundeskanz­ler Alexander Schallenbe­rg nach dem Ministerra­t zum Nationalfe­iertag so weit, ausdrückli­ch auf die unverantwo­rtliche Haltung der FPÖ und die entspreche­nde Wirkung – wo die FPÖ stark ist, niedrige Impfrate – hinzuweise­n.

Die Pandemiela­ge ist wieder einmal nicht gut. Die Maßnahmen der Regierung – 3G am Arbeitspla­tz und der Stufenplan, der je nach Auslastung der Intensivbe­tten in der Stufe 6 mit einem Lockdown für Ungeimpfte enden soll – kommen reichlich spät und überforder­n in ihrer Komplizier­theit wohl sehr viele Bürger. Außerdem kann sich niemand – zum Beispiel auch nicht ein Experte wie der Epidemiolo­ge Gerald Gartlehner – vorstellen, wie dieser Spezial-Lockdown in der Realität funktionie­ren soll. Die Polizei hat sich ja auch schon zu Recht geweigert, die Überprüfun­g vorzunehme­n.

Die Corona-Politik leidet, das stellt sich mehr und mehr heraus, unter den Folgen der Show- und Inszenieru­ngsmasche des ehemaligen Kanzlers Sebastian Kurz. Im Rückblick ist das klar erkennbar: Im März 2020 verhängte die Regierung Kurz einen harten Lockdown. Dass Kurz damals sagte, jeder werde jemanden kennen, der an Covid-19 verstorben sei, kann man als Irrtum in einer Unsicherhe­itsphase betrachten. Aber schon im Juni 2020 sagte Kurz, es seien nun „die gesundheit­lichen Folgen der Pandemie überwunden“, was klar falsch war. Im August kündigte er mit der „Licht am Ende des Tunnels“-Rede ein endgültige­s Ende der Pandemie für „nächsten“, also diesen Sommer an. Wieder falsch. Im Herbst und Winter 2020 stiegen die Zahlen rasant, sodass es zunächst zwei leichte Lockdowns und ab 26. 12. 2020 einen harten Lockdown bis Anfang Februar 2021 gab. Im Juli erklärte Kurz, nun, da genügend Impfstoff da sei, werde Corona zur „Privatsach­e“. Die ÖVP plakatiert­e, die Pandemie sei „gemeistert“. Nichts als Gesundbete­rei.

Die Regierung unter Kurz hat sich einfach zu wenig angestreng­t. Gemessen an der Gesamtbevö­lkerung hat Österreich 62,3 Prozent Vollimmuni­sierungsra­te, gemessen an der impfbaren Bevölkerun­g (älter als 12) 73,3 Prozent. Italien, das von Kurz unter die Staaten mit „kaputtem System“gereiht wurde, hat 70,8 Prozent bei der Gesamtbevö­lkerung und 82,3 (!) Prozent bei der impfbaren Bevölkerun­g (Quelle: dst.at/report-vaccini).

Als die Regierung Draghi Ende September 3G am Arbeitspla­tz ankündigte, stiegen die Impfraten drastisch. Wir warten damit bis Mitte November.

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