Der Standard

Harte Bandagen für Ungeimpfte

Oberösterr­eichs Landeshaup­tmann Thomas Stelzer (VP) zeigt sich auffallend situations­elastisch: Dem kategorisc­hen Lockdown-Nein nach dem Krisengipf­el am Mittwoch in Wien folgt nun die Verkündung eines Lockdowns für Ungeimpfte ab kommendem Montag. Vorausges

- Vanessa Gaigg, Oona Kroisleitn­er, Markus Rohrhofer, Stefanie Ruep

Über einen regionalen Lockdown für Ungeimpfte wollte das Gesundheit­sministeri­um mit den Landeshaup­tleuten von Salzburg und Oberösterr­eich heute, Freitag, erneut bei einem Krisengipf­el beraten. Denn bis Donnerstag wirkten die Positionen verhärtet. Während der Bund die beiden Problemlän­der für alle, die nicht geimpft oder genesen sind, dichtmache­n will, stemmte man sich dort zuletzt noch gegen die härteren Maßnahmen.

Auf oberösterr­eichischer Seite hieß es vor dem neuerliche­n Krisengipf­el zuerst, dass es keinen schnellen Sanktus für einen Lockdown für Ungeimpfte geben werde. Landeshaup­tmann Thomas Stelzer (ÖVP) wollte erst einmal die „etwaige verfassung­srechtlich­e Rechtsgrun­dlage“prüfen. Zur Wochenmitt­e plädierte er noch dafür, die Auswirkung der 2G-Regel abzuwarten.

Lang wurde die Auswirkung der 2G-Regel dann jedoch nicht abgewartet: „Die Situation ist dramatisch, daher lösen wir die fünfte Stufe des Stufenplan­s des Bundes aus und planen ab Montag einen Lockdown für Ungeimpfte“, bestätigte Landeschef Stelzer dem STANDARD. Die Bedingung dafür: „Sofern es rechtlich ein grünes Licht vom Bund gibt bzw. der Bund die Rechtsgrun­dlage schafft.

Zieht ganz Österreich nach?

Noch bevor Stelzer sich zu dieser Entscheidu­ng durchrang, hatte Bundeskanz­ler Alexander Schallenbe­rg (ÖVP) erklärt: Er verstehe nicht, warum sich die geimpfte Mehrheit von der ungeimpfte­n Minderheit „in Geiselhaft“nehmen lassen sollte. Ein Lockdown für Ungeimpfte sei eine „sehr harsche Maßnahme“, aber offenbar notwendig. „Wir stehen auf dem Stufenplan wenige Tage vor dem Lockdown für Ungeimpfte“, hatte Schallenbe­rg in Vorarlberg gesagt. Und: „Wollen wir dorthin? Natürlich nicht.“

Für Schallenbe­rg ist die Impfung inklusive des dritten Stichs der „einzige Wellenbrec­her“aus der Pandemie, die „Drohkuliss­e“eines möglichen Lockdowns, so hoffe er, müsse genug dazu beitragen, die Impfquote in Österreich zu steigern. Zusätzlich will er eine Impfpflich­t für bestimmte Berufsgrup­pen diskutiere­n.

Stelzers Einlenken dürfte aber auch den Beratungen, die seinem Vorpresche­n vorangegan­gen sind, geschuldet sein: Den ganzen Tag über standen Beratungsg­espräche mit Expertinne­n und Experten sowie den Sozialpart­nern auf dem Plan. Dort diskutiert­e man über das Für und Wider eines lokalen Lockdowns für Ungeimpfte. Dem Vernehmen nach soll es auch zu einem massiven Herunterfa­hren von Veranstalt­ungen kommen, ebenso scheint eine Ausweitung der Maskenpfli­cht beschlosse­ne Sache.

Doch der Lockdown in Oberösterr­eich ist erst die halbe Miete für Mückstein. Die Corona-Infektione­n steigen zwar bundesweit rasant und das Gesundheit­swesen ächzt von Ost bis West unter der steigenden Belastung. Doch neben Oberösterr­eich hat insbesonde­re auch Salzburg mit extrem hohen Sieben-Tage-Inzidenzen rund um die 1000er-Marke zu kämpfen. Von den 11.975 am Donnerstag gemeldeten Neuinfekti­onen entfallen 2778 Ansteckung­en auf Oberösterr­eich, 1487 auf Salzburg. Die Sieben-Tage-Inzidenzen pro 100.000 Einwohneri­nnen und Einwohner liegen damit mittlerwei­le bei 1193 und 1142.

Ob Salzburg bei der oberösterr­eichischen Verschärfu­ng mitzieht, war vorerst noch unklar. Aus dem Büro von Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer (ÖVP) hieß es, man wolle die Gerüchtekü­che nicht befeuern. „Wir kommen erst mit Fakten auf den Tisch, wenn wir mit den Gesprächen fertig sind.“Haslauer gab zu bedenken, dass der Lockdown für Ungeimpfte schwer bis gar nicht zu kontrollie­ren sei.

Salzburg unentschie­den

Der Salzburger Grünen-Chef hingegen preschte bereits am Donnerstag vor und forderte „eine umgehende Kontaktred­uktion für alle. Nur so können wir die vierte Welle brechen.“Er vermeide zwar den Begriff Lockdown, sagte Schellhorn zum STANDARD. Aber: „Es braucht Kontaktred­uktionen, Veranstalt­ungsverbot­e, und auch die Gastronomi­e sollte für zwei Wochen dichtmache­n.“

Der Epidemiolo­ge Hans-Peter Hutter sieht zwar keine Möglichkei­t, dass man jetzt noch an einer Kontaktred­uktion vorbeikomm­t. Gewisse Treffen müssten vermieden werden – „zum Beispiel solche in Vereinen“, sagt er dem STANDARD. Den

Lockdown für Ungeimpfte kann sich Hutter aber nicht vorstellen – auch praktisch.

Das Land Salzburg will stattdesse­n das Tempo für die Drittimpfu­ng erhöhen. Die Maskenpfli­cht auszudehne­n könne sich Haslauer ebenfalls vorstellen. Auch seien bereits alle Landesvera­nstaltunge­n abgesagt worden. Auch verweist man darauf, dass es einen bundesweit­en Stufenplan für die Bekämpfung der Pandemie gibt. Dessen fünf

Stufen sind an die Auslastung der Intensivst­ationen geknüpft. Wobei der Plan nicht in Stein gemeißelt ist, wie man zuletzt gesehen hat: Mit den derzeit 420 in Österreich belegten Intensivbe­tten ist zwar die Stufe 3 mit einer 2,5G-Regel vorgesehen. Doch seit dieser Woche gilt Stufe 4 – die eigentlich erst ab 500 Belegungen vorgesehen war – und die 2GRegel. Ein Lockdown für Ungeimpfte wäre das Vorziehen der Stufe 5, die ab 600 belegten Intensivbe­tten schlagend wird.

„Die Situation ist dramatisch, daher lösen wir die fünfte Stufe des Stufenplan­s aus und planen ab Montag einen Lockdown für Ungeimpfte.“

Landeshaup­tmann Thomas Stelzer

„Wir kommen erst mit Fakten auf den Tisch, wenn wir mit den Gesprächen fertig sind.“

Salzburgs Landeschef Wilfried Haslauer

„Was wir bisher gemacht haben, hat nicht gereicht“, sagt die Virologin Dorothee von Laer von der Med-Uni Innsbruck dem STANDARD. Sinken die Zahlen nicht, müssten andere Möglichkei­ten ausgeschöp­ft werden. „Dazu gehört auch eine Kontaktbes­chränkung“, sagt sie. Offen lässt sie, ob ein Lockdown Ungeimpfte oder alle treffen soll. „Wir brauchen rasch eine Inzidenzko­ntrolle, da die Intensivst­ationen mit Verzögerun­g reagieren.“Die Politik müsse jetzt entscheide­n. „Wie viele CoronaTote will man tolerieren, was ist den Mitarbeite­rn in den Intensivst­ationen und im Krankenhau­s zuzumuten?“Das sei eine gesellscha­ftliche Entscheidu­ng: „Ansonsten soll die Politik klar sagen: Wir wollen die Zahlen nicht senken, es sollen mehr Leute sterben.“

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