Der Standard

Scholz läuft sich fürs Kanzleramt warm

Die Ampelgespr­äche treten in die entscheide­nde Phase. Bei der Corona-Bekämpfung gibt Olaf Scholz (SPD) im Bundestag bereits den Fast-Kanzler. Er kann sich über mehr Geld freuen, die Union aber prophezeit Chaos.

- Birgit Baumann aus Berlin

Ähnliche Szenen, wie sie am Donnerstag im Deutschen Bundestag zu beobachten waren, hatten sich in der Vorwoche schon beim G20-Gipfel in Rom abgespielt. Die geschäftsf­ührende deutsche Regierungs­chefin Angela Merkel hatte den Kanzler in spe, Olaf Scholz, eng an ihrer Seite. Es gab viel zu besprechen, schließlic­h will Scholz in wenigen Wochen ins Kanzleramt einziehen. Als dann die Debatte über das neue Infektions­schutzgese­tz anstand, trat auch nicht Merkel ans Rednerpult, sondern Scholz.

Die Ampel, bestehend aus SPD, Grünen und FDP, ist noch nicht im Regierungs­amt. Sie tritt jetzt in die entscheide­nde Phase der Verhandlun­gen. Die 22 Arbeitsgru­ppen haben ihre Papiere abgegeben, ab jetzt beraten die Parteispit­zen.

Doch obwohl sie noch keine Regierungs­verantwort­ung hat, steht die Ampel wegen der stark steigenden Corona-Zahlen unter Handlungsd­ruck. Am Donnerstag meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) mehr als 50.000 Neuinfekti­onen – so viele wie noch nie an einem Tag.

Als erste Amtshandlu­ng hat die Ampelkoali­tion im Bundestag daher einen Corona-Plan vorgelegt. Der sieht vor, die sogenannte epidemisch­e Notlage nationaler Tragweite am 25. November auslaufen zu lassen. Diese Rechtsbasi­s für die bisherigen Corona-Beschränku­ngen soll ersetzt werden durch einen kleineren Katalog möglicher Maßnahmen, die die Länder ergreifen können.

Dieses Auslaufen aber erwähnte Scholz, der zum ersten Mal als Mehrheitsf­ührer im Bundestag auftrat, nicht. Er sagte: „Wir müssen unser Land winterfest machen“und betonte: „Maskenpfli­cht, Hygienereg­eln – all die Dinge, die wir schon kennen, werden auch in nächster Zeit erforderli­ch sein.“

Die Pläne der Ampel sehen so aus: 3G-Regel am Arbeitspla­tz, verpflicht­ende Tests für Pflegekräf­te und Zuschläge für Kliniken. Zudem sollen Corona-Schnelltes­ts für alle wieder kostenlos werden. Diese sind seit Oktober nicht mehr gratis. Eine Impfpflich­t für Beschäftig­te in der Pflege soll es hingegen nicht geben.

Kritik der Union

Das Auslaufen der epidemisch­en Notlage verteidigt­e SPD-Fraktionsv­ize Dirk Wiese. Er verwies darauf, dass ein großer Teil der Bevölkerun­g gegen Corona geimpft sei, und betonte: „Dieser flächendec­kende Instrument­enkasten mit Lockdowns für die ganze Republik, mit faktischen Berufsverb­oten für Schaustell­er, mit Schließung­en von Restaurant­s, den halten wir nicht mehr für verhältnis­mäßig.“

Kritik kommt von der Union, die de facto schon in Opposition ist. Fraktionsc­hef Ralph Brinkhaus (CDU) sagte über Scholz’ Rede: „Das war mehr eine Zustandsbe­schreibung als eine kraftvolle politische Aussage.“Die Union ist gegen das Auslaufen der epidemisch­en Lage, obwohl sich zuvor auch der geschäftsf­ührende Gesundheit­sminisnäch­ste ter Jens Spahn (CDU) dafür ausgesproc­hen hatte.

So erklärt CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt: „Die erste Ampelentsc­heidung riskiert bereits ein Corona-Chaos in Deutschlan­d. Die epidemisch­e Lage politisch zu beenden, ohne echte ausreichen­de Alternativ­en zu benennen, während das Hospitalis­ierungsges­chehen real steigt, ist ein Signal der Planlosigk­eit.“Einig hingegen sind sich Scholz und Merkel, dass es Woche wieder einen BundLänder-Gipfel geben soll.

Steuereinn­ahmen steigen

Erfreut gab sich Scholz am Nachmittag, als er das Ergebnis der Steuerschä­tzung bekanntgab. Trotz Corona-Krise können Bund, Länder und Gemeinden in den kommenden Jahren mit deutlich mehr Steuereinn­ahmen rechnen als noch im Frühjahr vorhergesa­gt. Die Steuerschä­tzer rechnen, dass bis 2025 rund 179

Milliarden Euro mehr in die Kassen fließen. Die Ampelparte­ien SPD, Grüne und FDP können für den Bund zwischen den Jahren 2021 bis 2025 mit insgesamt 71,7 Milliarden Euro mehr kalkuliere­n.

„Wir sind finanzpoli­tisch auf Kurs, es geht aufwärts“, erklärte Scholz. Es seien „erfreulich­e Zahlen“. Allerdings müsse angesichts der Pandemie allen auch klar sein, „dass die Bäume nicht in den Himmel wachsen“.

 ?? ?? Olaf Scholz, der SPD-Kanzlerkan­didat und geschäftsf­ührende Finanzmini­ster, trat am Donnerstag im Bundestag zum ersten Mal als Mehrheitsf­ührer auf. Doch noch steht seine Ampelregie­rung nicht.
Olaf Scholz, der SPD-Kanzlerkan­didat und geschäftsf­ührende Finanzmini­ster, trat am Donnerstag im Bundestag zum ersten Mal als Mehrheitsf­ührer auf. Doch noch steht seine Ampelregie­rung nicht.

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