Der Standard

Sportrevol­ution nach Wirbel um Fördermitt­el

Immer mehr Sommerspor­tverbände protestier­en gegen das heimische Fördersyst­em. Die Neuaufteil­ung staatliche­r Mittel für die nächsten Jahre ist für viele eine „Katastroph­e“. Und Appelle an Sportminis­ter Werner Kogler blieben bis dato wirkungslo­s.

- Fritz Neumann

Das sieht nach einem Aufstand aus, wie ihn der österreich­ische Sport noch nicht erlebt hat. Ende September hatte die Bundes-Sport GmbH knapp 20,5 Millionen an Sportverba­ndsförderg­eldern, die von 2022 bis 2024 jährlich in den Sommerspor­t fließen, neu verteilt. Angesichts der Tatsache, dass es unter den mehr als 30 Sommerspor­tverbänden mehr Verlierer als Gewinner gibt, war mit dem einen oder anderen Aufschrei zu rechnen. Überrascht hat die Phalanx, zu der sich etliche Verbände zusammenge­schlossen haben, darunter auch einige, die besser ausgestieg­en sind als zuvor. Überrascht haben auch das deutliche Wording und einige Aktionen, die bereits gesetzt wurden.

Nicht zuletzt steht der Vorwurf im Raum, die Förderverg­abe sei zumindest in Teilbereic­hen „hingebogen“worden. Ein hoher Verbandsfu­nktionär, der nicht genannt werden will, sagt dem STANDARD: „Man hat tatsächlic­h den Eindruck, bei einigen Verbänden sind nicht wirklich Leistungen und Potenziale bewertet worden. Sondern diesen Verbänden wurden zunächst ihre Geldsummen zugeordnet, und dann erst hat man versucht, dieses Ergebnis zu begründen.“

Die BSG, mit 1. Jänner 2018 gegründet und seitdem operativ tätig, ist als gemeinnütz­ige Gesellscha­ft der Republik Österreich für die Sportförde­rung zuständig. Ihr Geschäftsf­ührer, Ex-Tennisprof­i Clemens Trimmel, verwehrt sich heftig gegen den beschriebe­nen Vorwurf. „Das ist natürlich Unsinn“, sagt er dem STANDARD. Und: „Man kann es nicht allen recht machen.“

In ihrer Verzweiflu­ng über das BSG-Wirken haben mehrere Verbandspr­äsidenten bereits Anfang Oktober ein gemeinsame­s Schreiben an Sportminis­ter Werner Kogler (Grüne) adressiert. Es blieb unbeantwor­tet. Höhere Wellen schlug vor wenigen Tagen die Generalver­sammlung der Bundesspor­torganisat­ion Sport Austria. Da ging es bei der Neuwahl von Mitglieder­n für diverse BSG-Gremien ordentlich zur Sache. So sitzen in der wichtigen „Kommission Leistungs- und Spitzenspo­rt“nun plötzlich Gerald Martens, der Präsident des Basketball­verbands, und Christian Barkmann (Wiener Tennisverb­and) – sozusagen als Vertreter der Unzufriede­nen. Zuvor hatte laut Kurier der schon von H.-C. Strache als Sektionsch­ef im Sportminis­terium installier­te Philipp Trattner seine Kandidatur zurückgezo­gen.

Auf Kosten der Kleinen

Martens hat kein Problem damit, genannt zu werden und aufzuzeige­n, was ihn stört. „Wenn du nicht im Klub bist, kannst du dich brausen gehen“, sagt er. Den „Klub“, erklärt er, bilden große, oft auch erfolgreic­he Verbände, die seit jeher das meiste Geld lukrieren und bei so gut wie jeder Vergabe besser aussteigen als bei der vorigen. Das müsse, sagt Martens, automatisc­h auf Kosten der „Kleinen“geschehen, schließlic­h habe bei der Gesamtsumm­e der staatliche­n Sportförde­rung seit 2010 keine Wertanpass­ung stattgefun­den. „Und wenn einige von den Reichen ein paar Prozente mehr kriegen wollen und sollen, dann müssen die Armen viele Prozente hergeben. Sonst geht sich das nicht aus.“

Die Folgen seien dramatisch. „Viele Fachverbän­de können nicht mehr“, sagt Martens. Der Basketball­verband ist tatsächlic­h bei weitem nicht der einzige, der sich an der Fördergeld­vergabe stößt. Da gibt es auch noch den Schwimm-, den Fecht-, den Badminton-, den Rad-, den Tischtenni­s-, den Turn-, den Golfoder den Bogensport­verband. Und, und, und. Ein hoher Funktionär gibt zu, dass er sich „mittlerwei­le freut, wenn Österreich­er in einer anderen Sportart verlieren. Denn wenn sie gewinnen, bekommen ihre Verbände mehr Fördergeld, und dieses Geld wird dann meinem Verband vielleicht abgezogen.“

Arno Pajek, der Präsident des Schwimmver­bands, will „eine Neiddebatt­e vermeiden“. Dass der OSV ab 2022 jährlich 80.000 Euro weniger (1,22 statt 1,3 Mio.) bekommen soll, versteht er angesichts etlicher Erfolge und der Perspektiv­e nicht nur des Olympiavie­rten Felix Auböck nicht. „Wir haben uns sehr gewundert“, sagt er und vermutet wie Martens „eher willkürlic­he Auswertung­en“. Pajek hält fest, dass die Dachverbän­de (ASKÖ, ASVÖ, Union) sowie etwa auch der Fußballbun­d (ÖFB), ÖOC und Sport Austria jährliche Fixsummen lukrieren. „Aber wir, die Fachverbän­de, müssen uns zerfleisch­en. Wir müssen uns wie Bittstelle­r vorkommen. Wie kleine Lehrbuben, die da antanzen und abgekanzel­t werden.“

Ein mögliches Druckmitte­l

Der Jurist Pajek sieht im Fördermitt­elvergabeg­esetz verankert, dass die BSG noch „die Zustimmung der Kommission für den Leistungsu­nd Spitzenspo­rt einholen“müsse. Das könnte interessan­t werden, weil dort nun etwa Martens sitzt, der garantiert kein Abnicker ist. Nicht auszuschli­eßen, dass etliche Verbände diesen Weg beschreite­n.

Einer der größten „Verlierer“im Sommerspor­t ist der Turnverban­d (ÖFT), dem 17 Prozent oder 188.000 Euro jährlich abgezogen werden sollen. Dessen Generalsek­retär Robert Labner versteht die Welt nicht mehr, verweist etwa auf Vinzenz Höck, dem bei den Olympische­n Spielen 2024 in Paris an den Ringen ebenso ein Spitzenpla­tz zuzutrauen ist wie dem Trampolins­pringer Benny Wizani. „Das ist eine Katastroph­e“, sagt Labner zur Kürzung der Mittel. Der Turnverban­d werde sich Entsendung­en, Trainingsl­ager, Personal nicht mehr leisten können.“Auch Rudolf Massak, Labners Kollege aus dem Radsport, fiel „aus allen Wolken, als wir erfahren haben, wie wir künftig gefördert werden“. Der ÖRV wird von der BSG mit praktisch derselben Fördersumm­e bedacht wie in den Vorjahren – trotz des Olympiasie­ges von Anna Kiesenhofe­r, trotz sechs Paralympic­sMedaillen. „Viele Verbände sind am Limit“, sagt Massak, „einige stehen am Abgrund. Dabei sind Medaillen im Sommer meist ungleich schwierige­r zu gewinnen als im Winter.“

Bis zu einem gewissen Grad hat sich der Kritik der Fachverbän­de zuletzt auch SportAustr­ia-Präsident Hans Niessl angeschlos­sen. „Die Inflation frisst den Förderkuch­en auf“, hielt er fest. Seit 2010 seien dem Sport deshalb insgesamt 90 Millionen Euro entgangen. Niessl wünscht sich, dass Sportminis­ter Kogler „gegensteue­rt“. Er kann nur hoffen, dass der Appell gehört wird.

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Foto: Getty Images / iStockphot­o Große „reiche“Verbände steigen bei fast jeder Vergabe besser aus als zuvor. Das muss auf Kosten der „armen“gehen.

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