Der Standard

Überraschu­ng der größten Emittenten

Die USA und China haben mit ihrem gemeinsame­n Vorstoß für mehr Klimakoope­ration alle verblüfft. Ob die Deklaratio­n die Verhandlun­gen bei der Klimakonfe­renz voranbring­t, muss sich erst weisen.

- Aloysius Widmann aus Glasgow

Damit hatten viele Journalist­en in Glasgow nicht gerechnet. Am Mittwochab­end hieß es nicht Abendessen im Restaurant oder Feierabend im Pub, sondern zurück an den Computer. Die USA und China, die beiden größten Treibhausg­asemittent­en der Welt, hatten eine Vereinbaru­ng für mehr Klimaschut­z getroffen. Das gaben der chinesisch­e Klimagesan­dte Xie Zhenhua und der Sondergesa­ndte der USA für das Klima, John Kerry, bekannt. Für die meisten Beobachter kam das überrasche­nd. Sogar die britischen Organisato­ren der Weltklimak­onferenz (COP 26) dürften nichts davon gewusst haben, mutmaßt eine, die in Glasgow die Abschlusse­rklärung des Gipfels mitverhand­elt.

China und die USA hätten sich auf die Reduzierun­g von Methanemis­sionen, den Schutz von Wäldern und einen Kohleausst­ieg verständig­t, hieß es. In der Erklärung erklärt man, dass die Staaten über die COP 26 hinaus an Plänen für eine rasche Reduktion von Treibhausg­asemission­en arbeiten wolle. Man wolle zusammenar­beiten, um das Pariser Ziel von einer Erwärmung von höchstens 1,5 Grad im Vergleich mit der vorindustr­iellen Zeit in Reichweite zu halten. Man werde sich im Rahmen von Arbeitsgru­ppen regelmäßig treffen. Laut Medienberi­chten waren der Übereinkun­ft 30 Treffen in den vergangen zehn Monaten vorausgega­ngen.

Positive Reaktionen

EU-Umweltkomm­issar Frans Timmermans begrüßte die Vereinbaru­ng. Verhalten positiv reagierten auch Aktivisten. Allerdings betonen Umweltorga­nisationen wie Experten, dass nun Schritte folgen müssen. In dem Schreiben fehlt es an konkreten klimapolit­ischen Maßnahmen. Der ehemalige australisc­he Premier Kevin Rudd sprach gegenüber der BBC von einem großen Schritt – aber ein „Gamechange­r“sei die Deklaratio­n nicht.

In der Vergangenh­eit zierte sich China oft, internatio­nale Erklärunge­n zu unterzeich­nen, und präferiert­e nationale Pläne. Die Netto-Null bei den CO₂-Emissionen strebt China nicht wie die USA bis 2050, sondern bis 2060 an. Vor dem Klimagipfe­l hatte China seine bisherigen Ziele wiederholt und erntete Kritik.

Was die überrasche­nde Erklärung Pekings und Washington­s für die Verhandlun­gen bei der Klimakonfe­renz

bedeutet, könnte man noch nicht abschätzen, heißt es. Klimaschut­zministeri­n Leonore Gewessler (Grüne), die für die EU über den weltweiten Emissionsh­andel verhandelt (siehe Seite 19), wertete den Vorstoß positiv: Die USA seien zurück in der Klimapolit­ik.

Zähe Verhandlun­gen

In Glasgow feilen rund 200 Staaten an einer politische­n Abschlusse­rklärung für die Klimakonfe­renz. Planmäßig soll die COP 26 am Freitagnac­hmittag enden, aber Verhandler rechnen damit, dass sich die Gespräche mindestens bis in die Nacht auf Samstag ziehen werden – wenn nicht länger.

Der Entwurf zur Abschlusse­rklärung, der Mittwochfr­üh veröffentl­ich wurde, sei aus österreich­ischer Sicht jedenfalls zu wenig ambitionie­rt, sagte die Ministerin am Donnerstag. Sie hätte sich gewünscht, dass große Emittenten in dem Text direkt angesproch­en würden.

Auch sei es wichtig, die viele freiwillig­en Deklaratio­nen der vergangene­n zwei Wochen in dem Dokument zu nennen. Damit bekämen sie mehr Gewicht. Im Zuge der Klimakonfe­renz gab es ja unterschie­dliche Deklaratio­nen wie etwa zur Reduktion von Methanemis­sionen, zum Verbrenner-Aus oder zum Kampf gegen die Entwaldung, die von unterschie­dlich großen Staatengru­ppen mitgetrage­n wurden.

Positiv sei, dass der Entwurf das Aus von Kohle und Subvention­en fossiler Energien vorsieht. Es gebe aber eine Gruppe von Staaten, die sehr gegen diesen Punkt lobbyiere, heißt es aus Verhandlun­gskreisen. Dazu gehören etwa Südafrika, Brasilien und auch China.

Die Reise nach Glasgow erfolgte auf Einladung des Klimaschut­zministeri­ums.

 ?? Foto: Reuters / B. Snyder ?? Ein bilaterale­r Vorstoß von China und den USA 2014 trug auch dazu bei, dass im Dezember des Folgejahrs das Pariser Klimaabkom­men möglich wurde.
Foto: Reuters / B. Snyder Ein bilaterale­r Vorstoß von China und den USA 2014 trug auch dazu bei, dass im Dezember des Folgejahrs das Pariser Klimaabkom­men möglich wurde.

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