EU-Staaten formieren sich gegen Atomenergie
Österreich und vier weitere EU-Staaten gegen Einstufung von Kernkraft als nachhaltig – Frankreich will Aufnahmen in Taxonomie
Die Klimakrise hat der Atomenergie zu einer Renaissance verholfen. Weil die jüngsten Zahlen des Weltklimarats ein Argument dafür sind, Kohlekraftwerke eher heute als morgen abzudrehen, stellen sich viele die Frage, ob nicht Atomenergie eine nachhaltige Alternative für fossile Energien wäre. Frankreich, das rund 70 Prozent des eigenen Strombedarfs mit Atomstrom deckt, spricht sich deshalb etwa dafür aus, Atomenergie in die EU-Taxonomie aufzunehmen. Damit würde, vereinfacht gesagt, Atomstrom das Label „nachhaltig“bekommen. Kernenergie käme dann beispielsweise für grüne Finanzinvestments infrage. Es wäre für Kernkraftwerkbetreiber einfacher, an Investorengeld und Förderungen zu kommen.
Das Thema Atomkraft spielt zwar auf der Weltklimakonferenz eine Nebenrolle, dürfte die EU aber im kommenden Jahr weiter beschäftigen. Frankreich und Tschechien, beide bauen AKW, haben 2022 den EU-Ratsvorsitz inne. Auch deshalb positionierten sich Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) und ihre Amtskolleginnen aus Luxemburg, Deutschland, Dänemark und Portugal am Donnerstag in Glasgow zur Pressekonferenz mit dem Titel „gemeinsame Deklaration für eine atomfreie Taxonomie“.
Die Taxonomie sei dafür da, Investoren, die nach nachhaltigen Investments suchen, einen Kompass zu geben, sagte Gewessler. Es würde der Glaubwürdigkeit der Taxonomie schaden, wenn etwa Kernkraft aufgenommen würde. Man wolle kein „Greenwashing“der Taxonomie zulassen. Die Kernenergie könne schon allein aus rechtlicher Sicht nicht Teil der Taxonomie werden, weil sie der Klausel widerspreche, wonach Technologien sicher sein müssen. Es gebe bessere Technologien, die nachhaltig seien, billiger und auch sofort verfügbar. Gemeint sind Wind- und Sonnenenergie.
Streitpunkt Erdgas
Auch Gewesslers luxemburgische Amtskollegin, Carole Dieschbourg, betonte, dass die Bauzeiten für AKW lang sind, die Projekte teuer. Die wirklichen Kosten der Atomenergie seien noch höher, weil AKW nicht versicherbar sind und Abfall produzieren, der über Jahrtausende strahlt und verwahrt werden muss. „Kernkraft ist zu teuer, zu riskant und zu langsam“, sagte Dieschbourg. Anstatt Geld in Kernkraft zu investieren, sei es besser, es in erneuerbare Energien zu stecken.
Auch Erdgas dürfe nicht Teil der Taxonomie werden, betonten die Umweltminister. „Etwas, das weniger schlecht ist als die Alternative, ist deshalb nicht eine gute Option“, sagte Gewessler. Die Taxonomie müsse wirklich grün sein, sonst sei sie nicht glaubwürdig.
Neben der Kernkraft will Frankreich auch die Aufnahme der fossilen Energieträger in die Liste der nachhaltigen Investitionen – wenn auch nur übergangsweise bis 2030 und nur für „die effizientesten Gaskraftwerke“, betont das französische Umweltministerium.