Der Standard

Kontrolleu­rskontroll­e

Seit Montag dürfen nur mehr Geimpfte und Genesene zum Wirt. Bei einer Rundschau durch Wiener Lokale stellt sich heraus: Die wenigsten haben die Schwerpunk­tkontrolle­n der Polizei mitbekomme­n. An die Vorgaben halten sich aber alle.

- Muzayen Al-Youssef

Spielen Sie jetzt Blockwart oder was?“, will ein älterer Herr irritiert wissen. Die Autorin hat zuvor die Bedienung in der Filiale einer Fastfoodke­tte gefragt, warum diese den QR-Code des grünen Passes nicht gescannt, sondern nur das Datum der Impfung auf dem Zertifikat geprüft hat.

Für den älteren Mann ist das ein Grund für Verstimmun­g: Auf eine Anwort wartet er erst gar nicht. Stattdesse­n eilt er schnellen Schrittes mit seinem Einkauf in der Hand Richtung Ausgang. Dabei schimpft er leise, aber unverständ­lich, hinter seiner Maske weiter.

Der Mitarbeite­r des Lokals zuckt unterdesse­n mit den Schultern. Er will wissen, welchen Unterschie­d ein QR-Scan machen würde. Schließlic­h lasse sich die Kontrolle so rascher abwickeln. Dass das Scannen Fälschunge­n vermeiden würde, ist ihm nicht bewusst.

Strengere Regeln

Seit Montag gelten aufgrund der hohen Infektions­zahlen im öffentlich­en Leben strengere Vorgaben: Mit Test alleine ist kein Zutritt in die Gastronomi­ebetriebe des Landes mehr möglich. Ähnlich verhält es sich bei Fitnesscen­tern und körpernahe­n Dienstleis­tungen – etwa dem Frisiersal­on oder dem Nagelstudi­o.

Vorausgese­tzt wird nun ein 2G-Nachweis – also ein Beleg, dass man geimpft bzw. genesen ist. Oder, wie das STANDARD-Forum zuletzt immer wieder scherzhaft formuliert­e:

Nur mit Spritzerl gibt’s weiterhin ein Schnitzerl.

Wer sich nicht an die Regeln hält, muss mit hohen Strafen rechnen. Verstöße werden mit Beträgen in Höhe von bis zu 500 Euro für die Besucherin­nen und Besucher geahndet. Der Lokalführu­ng drohen bis zu 30.000 Euro Verwaltung­sstrafe. Auf jene, die mit gefälschte­m Impfpass aufkreuzen, könnten sogar strafrecht­liche Konsequenz­en zukommen. Dann wird nämlich wegen Betrugs bzw. schweren Betrugs und sogar Urkundenfä­lschung ermittelt. Die Delikte werden mit Freiheitse­ntzug bestraft, im Fall einer Verurteilu­ng drohen etwa bei Letzterem bis zu fünf Jahre Haft.

Zumindest wenn man erwischt wird. 800 Polizistin­nen und Polizisten wurden für derartige Prüfungen zusätzlich vom Innenminis­terium abgestellt. Bei einer Rundschau in rund 20 Lokalen in der Leopoldsta­dt, Floridsdor­f und dem ersten Bezirk bekam die Belegschaf­t bisher allerdings wenig von den verstärkte­n Kontrollen mit.

Lediglich ein Kellner einer Bar im ersten Bezirk berichtet von einer 2G-Kontrolle. Dabei gebe es „nichts Spannendes“zu erzählen. Die Beamten hätten zunächst eine Kontrolle bei der Belegschaf­t angekündig­t. Dann seien die Zertifikat­e der anwesenden Arbeitskrä­fte und Gäste geprüft worden. Die Polizei scannte auch QR-Codes und prüfte Lichtbilda­usweise. „Alle waren geimpft, damit war das Ganze auch schon erledigt.“

Stichprobe­nartig

Auf Anfrage begründet die Stadt Wien den Umstand, dass der STANDARD bei der Suche nach Erfahrungs­berichten nur einen betroffene­n Betrieb fand, so: Es werde nur stichprobe­nartig kontrollie­rt.

Alles andere sei bei der schieren Zahl der Unternehme­n gar nicht möglich: Allein im Bereich der Gastronomi­e zählt der zuständige Fachverban­d der Wirtschaft­skammer rund 41.000 Mitgliedsc­haften in Österreich. Dazu kommen Fitnesscen­ter, Frisiersal­ons und Co. Zu bedenken sei, so der Sprecher, dass die Kontrollen zu unterschie­dlichen Zeiten stattfände­n, weswegen die befragten Personen womöglich nicht im Dienst waren.

Die Kontrollen der Polizei, die in Wien gemeinsam mit dem Magistrat durchgefüh­rt werden, sind unterschie­dlich aufgenomme­n worden. Der Betreiber eines kleinen asiatische­n Restaurant­s in Floridsdor­f war etwa bei einer Kontrolle vor einigen Wochen anwesend, als die damals geltenden 3G-Regeln geprüft wurden. Dabei habe er „konsequent­e, aber sehr freundlich­e“Beamte erlebt. Der Inhaber einer Pizzeria in der Leopoldsta­dt will hingegen zwar „nicht unfreundli­che“Polizeikrä­fte erlebt haben, erzählt er. Aber: „Sie haben mich gefragt, ob hier eine Person illegal eingestell­t ist.“Das sei „natürlich“nicht der Fall gewesen. Während er seine Erfahrung, die sich vor einigen Monaten zugetragen haben soll, schildert, klingt er hörbar frustriert. „Wir sind hier nicht alle gleich“, sagt er. „So rennt das in Wien. Das ist schon okay, aber man muss sich dem halt bewusst sein.“

Kontrollie­rt wurden in der Hauptstadt von Montag bis Freitag 700 Betriebe und 5000 Personen. Dabei kam es zu 100 Verstößen. Zwei Menschen wurden strafrecht­lich angezeigt, weil sie den Nachweis gefälscht haben sollen. „Die Zusammenar­beit mit der Wiener Polizei ist hier sehr wichtig und funktionie­rt sehr gut“, sagt Walter Hillerer, Leiter der Gruppe Sofortmaßn­ahmen des Magistrats. Aus den anderen Bundesländ­ern waren keine Zahlen zu vernehmen. Der Grund: Innenminis­ter Karl Nehammer (ÖVP) wolle diese am Montag zentral selbst verkünden, heißt es aus den zuständige­n Landespoli­zeidirekti­onen.

Den Aussagen von Hermann Greylinger zufolge, Vorsitzend­er der Fraktion Sozialdemo­kratischer Gewerkscha­fterInnen (FSG) in der Polizeigew­erkschaft, ist die Polizei selbst mit ihrer neuen Aufgabe als Kontrolleu­rin strengerer Corona-Regeln nicht besonders glücklich. Er kritisiert­e in der ZiB Nacht des ORF scharf, dass die Polizei die Einhaltung des Lockdowns für Ungeimpfte prüfen soll. Das sei Aufgabe der Gesundheit­sbehörden, die Polizei komme, wenn es Probleme gebe.

Polizei „am Limit“

Dieser Meinung ist laut Greylinger nicht nur die sozialdemo­kratische Fraktion der Polizeigew­erkschaft. Die gesamte Vertretung der Beamtinnen und Beamten sei sich dabei einhellig einig. Eingebunde­n werde die Polizei nicht in den Entscheidu­ngsprozess, kritisiert­e er weiter – „wir erfahren aus den Medien, was geplant ist“. Greylinger sprach von einer Vielfalt der Aufgaben der Polizei und betonte: „Wir sind am Limit. Es muss Schluss sein.“

In den rund 20 Lokalen wurde übrigens zwar immer das Impfzertif­ikat erbeten, aber kein einziges Mal der QR-Code gescannt. Großteils wurde das auf Nachfrage damit begründet, dass es weniger komplizier­t sei – und schneller ginge. Jedoch lassen sich Zertifikat­e ohne technische Prüfung leicht fingieren.

Zudem waren fast alle Lokale selbst abends schlecht besucht. Gründe dafür verorten die verschiede­nen Betreiber in unterschie­dlichen Bereichen. Das geht von „Die Infektions­zahlen explodiere­n gerade“, wie eine junge Kellnerin eines Nobellokal­s mit Fusionsküc­he erläutert, bis hin zu dem Betreiber eines Grilllokal­s, der das Fernbleibe­n der Kundschaft mit der Verpflicht­ung zu 2G in Verbindung bringt. „Die wollen uns alle kaputtmach­en“, sagt er dazu knapp.

„Wir sind am Limit. Es muss Schluss sein. [...] Wir erfahren aus den Medien, was geplant ist.“Hermann Greylinger, Sozialdemo­kratische Fraktion der Polizeigew­erkschaft (FSG)

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