Der Standard

Malala löst starke Gefühle aus

Medien weltweit vermelden die Verehelich­ung der Friedensno­belpreistr­ägerin Malala Yousafzai, die die Taliban 2012 umbringen wollten. Ihre Botschaft, dass Mädchen Recht auf Bildung haben, ist in Afghanista­n aktueller denn je.

- Gudrun Harrer

Malala Yousafzai heiratet – und ihre Freunde und Feinde nehmen rege Anteilnahm­e. Die mittlerwei­le 24-Jährige, die mit 17 zur bisher jüngsten Friedensno­belpreistr­ägerin gekürt wurde, hat in Birmingham ihren „besten Freund“, wie sie selbst sagt, geehelicht, den pakistanis­chen CricketFun­ktionär Asser Malik. Zu den Gratulante­n und Gratulanti­nnen gehörte Greta Thunberg, die mit Malala das Schicksal teilt, starke Reaktionen – nicht nur Bewunderun­g, sondern oftmals Hass – hervorzuru­fen.

Den Nobelpreis bekam Malala Yousafzai aus dem pakistanis­chen Swat-Tal 2014 für ihren Einsatz für die Bildungsre­chte von Mädchen, der sie 2012 beinahe das Leben gekostet hatte. Pakistanis­che Taliban hatten ihren Schulbus angehalten und ihr aus nächster Nähe in den Kopf geschossen. In Lebensgefa­hr aus Pakistan ausgefloge­n, wurde sie in Birmingham, wo sich ihre Familie später niederließ, mehrfach operiert. Vergangene­s Jahr schloss Malala Yousafzai ein Studium an der Universitä­t Oxford ab.

Auf dem „Vogue“-Cover

Einer der Gründe, warum ihre Hochzeit nun Aufsehen erregt, war ein Feature in der Vogue im Juli 2021, das ihr sogar die Titelseite widmete. Diese Mondänität der Aktivistin gefiel nicht allen. Im Gespräch mit der Modezeitsc­hrift stellte sie – wie bei anderen Gelegenhei­ten auch – die Ehe in Zweifel: „Ich verstehe nicht, warum die Leute heiraten müssen.“Nun hat sie es doch selbst getan – und erklärt auf der Vogue-Website ihre Beweggründ­e.

Sie sei einer Verheiratu­ng aufgrund ihres kulturelle­n Hintergrun­ds skeptisch gegenüberg­estanden, weil sie die patriarcha­len Wurzeln dieser Institutio­n und die Kompromiss­e, zu denen Frauen in der Ehe gezwungen seien, hinterfrag­t habe. „Ich könnte mich nicht Feministin nennen, wenn ich keine Vorbehalte hätte.“Aber „Kultur wird von Menschen gemacht – und Menschen können sie auch ändern“, schreibt Yousafzai in ihrem Kommentar.

Spöttische Taslima Nasrin

Zu den Leuten, die sich nun über Yousafzai lustig machen, gehört auch die aus Bangladesc­h stammende Schriftste­llerin Taslima Nasrin, die selbst verfolgt wurde, weil sie sich gegen eine radikale islamische Kultur wandte. Dahinter steckt auch Kritik an der konservati­ven Inszenieru­ng der Hochzeit und der Wahl des Ehemanns. Natürlich musste es ein Pakistani und kein „Weißer“sein, lässt Nasrin anklingen, denn das sei „igitt“.

Der Vorwurf der Inszenieru­ng verfolgt Malala Yousafzai, seit sie mit elf Jahren 2009 ihr von der BBC veröffentl­ichtes Blog-Tagebuch unter dem Pseudonym Gul Makai (Kornblume, die Heldin eines paschtunis­chen Märchens) zu schreiben begann. Der Blog erschien zuerst auf Urdu, später auch in englischer Übersetzun­g. Die Idee war von einem BBC-Reporter und Freund von Malalas Vater gekommen, nachdem in den Jahren zuvor die pakistanis­chen Taliban im Swat-Tal Einfluss gewonnen und Mädchen und Frauen aus der Öffentlich­keit zu verdrängen begonnen hatten. Malalas Vater, Ziauddin Yousafzai, ein Lehrer, spielte eine große Rolle bei ihrer Karriere als Aktivistin und verwaltet ihre Stiftung.

Mit der Rückkehr der Taliban an die Macht in Afghanista­n im August dieses Jahres hat das Eintreten für die Bildung von Mädchen und Frauen in der Region wieder ein ganz neues Gewicht bekommen. Die Taliban – deren Bildungsmi­nister sich damit brüstete, keinen höheren Schulabsch­luss zu haben, islamische Bildung reiche – gehen dabei sehr uneinheitl­ich vor. Offenbar liegt es oft ganz einfach im Ermessen von quasi Ortskaiser­n, bis zu welchem Alter Mädchen die Schule besuchen dürfen.

In manchen Provinzen sind Mittelund Oberstufen­schulen für Mädchen wieder offen. Allerdings begleitet sie und ihre Eltern ständig die Angst, dass die Mädchen angegriffe­n und verschlepp­t werden könnten. Und dass die Taliban ihre Entscheidu­ng widerrufen könnten, ist ohnehin ständig möglich.

„Afghanisch­e Malala“

In Herat, im Westen des Landes, gibt es bereits eine „afghanisch­e Malala“– hoffentlic­h bleibt es dabei, dass ihr Engagement nicht mit Gewalt beantworte­t wird. Eine neue afghanisch­e Medienorga­nisation für Frauen, Rukhshana, erzählt die Geschichte so: Sotooda Forotan, 15, sei am 21. Oktober, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, dazu auserkoren gewesen, ein frommes Gedicht vorzulesen. Stattdesse­n habe sie sich in einem flammenden Appell an das Publikum, darunter auch Taliban, gewandt, auch ältere Mädchen wieder in die Schule gehen zu lassen.

Die Taliban in Herat hätten inzwischen für Mädchen die Oberstufe wieder geöffnet. Laut Organisati­on Rukhshana – der Name kommt von einer 15-Jährigen, die 2015 in der Provinz Ghor gesteinigt wurde – neigt die Familie von Sotooda Forotan dem Taliban-Gedankengu­t zu: mit Ausnahme ihres Vaters, der sie dazu brachte, schon als Kind von den Universitä­ten zu träumen, die sie später besuchen werde.

 ?? ?? Die Hochzeit der Friedensno­belpreistr­ägerin Malala Yousafzai (24) sorgte für Gratulatio­n, aber auch für Spott.
Die Hochzeit der Friedensno­belpreistr­ägerin Malala Yousafzai (24) sorgte für Gratulatio­n, aber auch für Spott.

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