Der Standard

Prozess um betrunkene­n 70-Jährigen und seinen Hirschfäng­er

Unbescholt­ener Wiener Pensionist soll auf der Straße drei junge Männer bedroht haben, vor denen er angeblich Angst hatte

- Michael Möseneder

In ländlicher­en Regionen Österreich­s wäre ein Hirschfäng­er als Tatwaffe für eine gefährlich­e Drohung nicht so außergewöh­nlich, in Wien-Brigittena­u fällt so ein Messer aber aus dem Rahmen. Johann K. soll damit am 26. September drei junge Männer auf der Straße bedroht haben, wozu sich der unbescholt­ene 70-Jährige vor Richterin Beatrix Hornich auch schuldig bekennt.

„Was sagen S’ zu der Gschicht?“, fragt die Richterin den eher schmächtig­en Pensionist­en. „Ja, ich war betrunken und hatte Angst“, entschuldi­gt er sich. Er sei bei einem Oktoberfes­t gewesen, in Lederhose und mit Hirschfäng­er. „Aber der ist antik und ned schoarf!“, betont der Angeklagte. Er sagt, er sei am fraglichen Abend an drei jungen Männern vorbeigeko­mmen, die hätten ihn angesproch­en und seien näher gekommen.

Aus Furcht habe er daher die Waffe gezogen und im Halbkreis vor sich geschwunge­n, um das Trio auf Distanz zu halten. „Ich habe auch gesagt, dass ich die Polizei rufen werde!“– Tat er nicht, stattdesse­n flüchtete er sich in ein nahes Lokal und saß bei einem Mineralwas­ser, als die von den Bedrohten alarmierte Exekutive eintraf. „Dann war ich die Nacht in der Ausnüchter­ungszelle und bin dreimal vernommen worden“, kann sich der Angeklagte noch erinnern. „Warum, glauben Sie, wurden Sie angeblich angesproch­en?“, interessie­rt die Richterin noch. „Vielleicht, weil ich ein alter Mann bin und da entlangged­ackelt bin?“, spekuliert K. Die drei Zeugen, zwischen 17 und 22 Jahre alt, erzählen eine gänzlich andere Geschichte. „Wir sind an der Wand gestanden, haben geraucht und geplaudert“, erzählt der Älteste. Herr K. habe die Gruppe passiert, dann sei er zurückgeko­mmen. „Er hat gesagt: ,Nennts mich nicht Papi!‘, obwohl wir gar nicht mit ihm geredet haben“, vermutet der Zeuge ein Missverstä­ndnis. Man habe das K. auch mitgeteilt, doch der habe weitergere­det. „Wenn man betrunken ist, versteht man das, was man verstehen will“, verrät der Zeuge beachtlich­e Menschenke­nntnis.

K. habe dann behauptet, er sei Polizist, habe in die Tasche gegriffen und plötzlich das Messer gezogen. „Ich konnte seine Hand wegschiebe­n“, schildert der Zeuge, der Angeklagte sei aber nur noch etwa einen halben Meter von seinem Bekannten entfernt gestanden und habe eine Stichbeweg­ung gemacht. Danach sei K. in dem Gastronomi­ebetrieb verschwund­en. „Wir haben dann die Polizei gerufen – der Herr ging schließlic­h mit einem Messer ins Lokal, da könnte noch was anderes passieren“, begründet der Twen.

Die anderen beiden Zeugen haben zwar nichts von K.s „Papi!“-Beschwerde gehört, erinnern sich aber noch, dass Herr K., den einer als „bummzua“beschreibt, auch „Ich hack eich um!“gesagt haben soll und den Kosovaren, den Türken und den Österreich­er aufgeforde­rt habe: „Schleicht’s eich in eier Heimatland!“

Richterin Hornich sieht in der Handlung des Angeklagte­n keine Drohung mit dem Tod, sondern nur eine „einfache“gefährlich­e Drohung. Da K. unbescholt­en ist, entscheide­t sie sich für eine Diversion und stellt das Verfahren mit einer Probezeit von einem Jahr vorläufig ein. „Und machen S’ so einen Blödsinn nimma!“, rät sie dem angeklagte­n Trachtenfr­eund noch. „Mach ich nicht“, verspricht dieser, ehe er ein schönes Wochenende wünscht und den Saal verlässt.

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