EY soll Warnsignale übersehen haben
Ein bisher zurückgehaltener Bericht des Wirtschaftsprüfers Wambach zeigt, dass EY als Wirtschaftsprüfer von Wirecard auf Auffälligkeiten in der Bilanz nicht richtig reagiert haben dürfte.
Wie konnte es sein, dass sowohl Wirtschaftsprüfer als auch die Behörden, die von Insidern kontaktiert wurden, übersehen haben, welche Vorgänge bei Wirecard gelaufen sind? Wie konnte die Bilanz über Jahre hinweg ausgedehnt werden, ohne reales Geschäft dahinter? Wie konnte das so lange unentdeckt bleiben? Diesen Fragen ist in Deutschland der Untersuchungsausschuss nachgegangen. Recht viel Erhellendes kam dabei nicht ans Licht.
Nun gibt aber ein bisher zurückgehaltener Bericht des Wirtschaftsprüfers Wambach Einblick in die Arbeit von EY, die die Bilanzen von Wirecard seit 2009 geprüft haben. 168 Seiten ist dieser Bericht lang, das Handelsblatt konnte diesen nun einsehen und hat ihn veröffentlicht.
Demnach hätten die Prüfer von EY zahlreiche Warnsignale übersehen, heißt es in dem Bericht. Hätte EY konsequent nach den Normen des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) geprüft, wären Geschäftsgebaren möglicherweise weit früher aufgedeckt worden, halten die Wambach-Experten fest. Die Wirtschaftsprüfer hätten bereits im Jahr 2015 „wesentliche Defizite in der Buchhaltung“gefunden, die als „Fraud-Indikatoren“einzuschätzen gewesen seien und „von einem Abschlussprüfer als solche gewürdigt werden hätten können“.
Von EY sei aber keine Diskussion und Plausibilisierung dieser Auffälligkeiten erkennbar gewesen. In den EY-Dokumenten sei weder „die notwendige kritische Grundhaltung“noch die aus der speziellen Lage resultierende „höhere Risikoeinschätzung eines Abschlussprüfers“erkennbar gewesen.
Ein Beispiel: Die Wambach-Experten kommen etwa zu dem Schluss, dass EY bei der als besonders kritisch einzustufenden Übernahme der indischen Hermes-Gruppe „im Wesentlichen auf mündliche und schriftliche Erklärungen der möglicherweise unter Verdacht steEY henden Personen“vertraut habe und bei einem wichtigen Kaufvertrag mit der Al-Alam-Gruppe aus Dubai offenbar nicht bemerkt habe, dass im Vertrag anstelle von Al Alam sechsmal der Name eines anderen Unternehmens stand.
Gerade die Vorgänge in Dubai werden im anstehenden WirecardProzess noch eine große Rolle spielen. Dort soll es zu massiven Scheingeschäften gekommen sein. Selbst große Büroräumlichkeiten wurden dort nur zum Schein gemietet. Mitarbeiter hätten in diesen Räumen vor Ort gefehlt, sagen Involvierte in einer Wirecard-Dokumentation.
selbst hat Vorwürfe dieser Art immer zurückgewiesen. Das gilt auch für die nun im Raum stehenden Vorwürfe. Ein Fehlverhalten wird nicht eingeräumt. „Entsprechend der IDW-Prüfungsstandards lässt eine Beurteilung in Rückschau gerade keinen Rückschluss auf Fehlverhalten des Abschlussprüfers zu“, sagt ein Sprecher von EY dem Handelsblatt.
Aktienhandel wird gestoppt
Dass es immer noch einen Handel mit Wirecard-Aktien gibt, die im Juni 2020 zusammengebrochen sind, mag kurios klingen – ist aber so. Mehrere deutsche Börsen ziehen hier nun aber einen Schlussstrich. Schon in wenigen Tagen wird der Handel mit Wirecard-Papieren nicht mehr möglich sein. Für Anleger wird es damit immer schwieriger, die Aktien des insolventen Konzerns loszuwerden.
Die Frankfurter Wertpapierbörse hatte bereits Anfang Oktober mitgeteilt, Wirecard-Aktien mit Ablauf des 15. November (Montag) aus dem regulierten Markt auszuschließen. Doch auch im Freiverkehr, wo weniger Vorschriften gelten, sei Wirecard dann nicht mehr handelbar, erklärte die Deutsche Börse nun auf Anfrage. Ein „ordnungsgemäßer Börsenhandel“sei auch im Freiverkehr nicht mehr gewährleistet, so eine Konzernsprecherin. (bpf)