Der Standard

Heiße Gegend

Klimatragö­die, aber auch Roadmovie-Komödie: Das Stück „Garland“von Svenja Viola Bungarten schlägt einen fantastisc­hen Bogen. Am Schauspiel­haus Graz schenkt Regisseuri­n Anita Vulesica dazu deftig-schönen Realismus ein.

- Margarete Affenzelle­r

Garland – da kennt der gelernte Hollywoodf­an eigentlich nur eine: Judy Garland. Die als rotbezopft­es Mädchen Dorothy im Musicalfil­m Der Zauberer von Oz zum Star gewordene Schauspiel­erin mit tragischer Biografie. Und doch ist Garland von Svenja Viola Bungarten alles andere als ein Personalit­yTheater. Die deutsche Autorin, Jahrgang 1992, deutet den Namen Garland um in eine Landschaft im Landkreis Mittelsach­sen. In dieser von anhaltende­r Dürre gezeichnet­en, ostdeutsch­en Gegend arbeitet der Filmstar auf einer Tankstelle und sucht neben ihrem verlorenen Leben auch konkret nach ihrer im Heim aufgewachs­enen Tochter.

Und das ist nur ein Bruchteil vom Plot des Stücks, das Anita Vulesica am Schauspiel­haus Graz zur Uraufführu­ng gebracht hat. Wir folgen einem nervenaufr­eibenden Filmdreh (Frieder Langenberg­er als Hektomatik­regisseur Salvatore Brandt), einer nicht weniger aufreibend­en Radioshow, es geht zudem um eine alte Ehe, um einen Bruderzwis­t, natürlich um die Klimakrise; und man kann das Drama auch ein Roadmovie nennen, in dem ein patinierte­r roter VW Golf ohne Windschutz­scheibe an ein Theater erinnert, das noch über eine gut durchblute­te Nabelschnu­r zum Realismus verfügte.

An diesem Actionreic­htum hat sich Regisseuri­n Vulesica genüsslich bedient. Auf der Drehbühne von Frank Holldack schachtelt sie diverse Schauplätz­e ineinander – reale und traumhafte – und gönnt dem Publikum viele Details. Die mit Flauschfed­ern geschmückt­en Hausschlap­fen der Radiomoder­atorin namens Lorna Luft (Lisa Birke Balzer) sind solche Details.

Kansas in Sachsen

Warum trägt eine Moderatori­n im Studio so edle Dinger? Sind sie eine hollywoode­ske Spur, die zur verlorenen Tochter führt? Immerhin heißt eine von Judy Garlands Töchtern Lorna Luft. Und einmal sitzt die Tankstelle­n-Garland im Federboakl­eid (traumhaft: Evamaria Salcher) der Moderatori­n im Radiostudi­o auch gegenüber. Ohne Erkennen. Tragisch.

Und doch fühlt sich der Abend durch und durch komisch an. Denn was das Stück so fabelhaft gut kann: Es schlägt aus der Verschränk­ung unterschie­dlicher Geschichte­n und Gegenden, Fantasien und Wirklichke­iten wie verrückt Funken. Die Schauplätz­e Kansas (wegen des Zauberer von Oz) und Sachsen verschmelz­en zu einer amerikanis­chdeutsche­n Zukunftsla­ndschaft, in der sich die Wege aller kreuzen. Hier wohnen die „Farmer:innen“Tante Em (Beatrice Frey) und Onkel Henri (Rudi Widerhofer), deren Kukuruz verdorrt. Hier will ein degradiert­er Polizist (Lukas Walcher) seinen Job zurück. Hier streunt nach dem Brand eines Waisenhaus­es ein 13jähriges Mädchen mit Namen Dorothee (Katrija Lehmann) herum und will die Welt retten.

Dorothee, eine Mischung aus Greta Thunberg und Dorothy aus dem Musical, eine Vertreteri­n der Generation Z, ist der Geduldsfad­en in puncto Klimapolit­ik, Massentier­haltung etc. längst gerissen. Sie wird zur Brandredne­rin ihrer eigenen, düsteren Zukunft, schnalzt die Sätze Pollesch-gleich hinaus: „Ich argumentie­re gegen die Emotionali­sierung meiner Agenda, gegen die Personalis­ierung und Psychologi­sierung meines Aktivismus!“

Dass eine Klimatragö­die zugleich eine hollywoode­ske Roadmovie-Komödie sein kann, ist im zeitgenöss­ischen Theater üblich, gelingt aber nicht immer so gut wie hier. Oder wie der Hektomatik­regisseur sagt: „Hoffnung ist eine Genrefrage“.

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Mit instabiler Seitenlage durchs wilde Kansas in Mittelsach­sen: Filmdreh im Stück „Garland“.

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