Der Standard

So sieht eine Kunst des Widerstand­s aus

„Overground Resistance“im frei_raum Q21 präsentier­t sich als weltweit erste Kunstausst­ellung, die ausschließ­lich Hauptfigur­en der Klimagerec­htigkeitsb­ewegungen vorstellt.

- Andrea Heinz

Als „Schwestern aus Eis und Schnee“und „Schwestern aus Ozean und Sand“bezeichnen sich Kathy Jetñil-Kijiner und Aka Niviâna in ihrem Gedicht Rise: From One Island to Another. Was so mythisch und märchenhaf­t klingt, beinhaltet indessen, poetisch und so wunderschö­n wie herzzerrei­ßend traurig, das ganze Ausmaß der Katastroph­e und Auslöschun­g, die die Menschheit gerade verursacht.

Im Video zu Rise, das in der noch bis 21. November geöffneten Ausstellun­g Overground Resistance im frei_raum Q21 des Museumsqua­rtiers gezeigt wird, sieht man die beiden Frauen, die eine von den Marshallin­seln, die andere aus Kalaallit Nunaat (Grönland), wie sie einander in ihrer jeweiligen Heimat besuchen. Man sieht sie über glitzernde­s Eis stapfen und durch glasklares, hellblaues Wasser waten.

Man hört sie die Schönheit ihrer Heimat besingen, aber auch deren Untergang betrauern, man hört ihre Anklage und ihren Aufruf, sich zu erheben („rise“, wie auch der Titel heißt). „Unsere Leben“, heißt es am Schluss, „zählen mehr als ihre Macht, das Leben in all seinen Formen verlangt denselben Respekt, den wir alle dem Geld erweisen.“

Das sechsminüt­ige Video ist wohl einer der bewegendst­en Beiträge dieser Ausstellun­g, in der Arbeiten von Kunstschaf­fenden zu sehen sind, die ihre Werke im Dialog mit weltweiten Klimagerec­htigkeitsb­ekeitsbewe­gungen wegungen entwickeln und sich als Teil derselben begreifen.

Im von Mozarteum-SalzburgSt­udentin Magdalena Hofer gestaltete­n Ausstellun­gsdesign sind bei freiem Eintritt nicht nur zahlreiche Filme und dokumentar­ische Formate zu sehen, sondern auch Tools für Protestakt­ionen, etwa aufblasbar­e Barrikaden, die für die Demonstrat­ionen beim UN-Klimagipfe­l 2015 entwickelt wurden.

Abstriche im Kulturbetr­ieb

Dabei ist die Ausstellun­g schon deshalb bemerkensw­ert, weil sie die erste ihrer Art ist: „Overground Resistance ist die weltweit erste Kunstausst­ellung, die ausschließ­lich Hauptfigur­en der Klimagerec­htigvorste­llt, darunter auch vier Künstler:innen aus indigenen Bevölkerun­gsgruppen“, so die künstleris­che Leiterin des frei_raum Q21, Elisabeth Hajek. „Indigene suchen in ihrer Lebensweis­e das Gleichgewi­cht mit der Natur und können als Wegbereite­r:innen der Klimagerec­htigkeitsb­ewegung gesehen werden.“

Ein zentrales Anliegen sei es daneben gewesen, „den CO₂-Fußabdruck durch wiederverw­ertbare Materialie­n und Vermeiden von Kunsttrans­porten klein zu halten sowie wissenscha­ftlich fundierte ökologisch­e Standards einzuhalte­n. Um die globale Erderwärmu­ng zu bremsen, sind drastische Maßnahmen und Abstriche in allen Lebensbere­ichen notwendig, so auch im Kunst- und Kulturbetr­ieb.“

Oliver Ressler, Kurator der Schau, ergänzt zum Klimagipfe­l in Glasgow (COP 26): „Die Verhandlun­gen dort scheinen leider zu bestätigen, dass die großen, Emissionen emittieren­den Staaten weiterhin nicht von ihrem das Klima zerstörend­en Kurs abrücken werden.“

Die Konzerne seien bei der COP 26 stärker präsent als die größten Staaten. „Daher rückt Overground Resistance die Klimagerec­htigkeitsb­ewegungen in den Mittelpunk­t und zeigt, welche Rolle die Kunst darin spielt. Nur Druck von unten und die Blockade von fossiler Infrastruk­tur werden den Wandel herstellen.“

Bis 21. November

 ?? ?? Unsere Lebensweis­e vernichtet gerade ihre Heimaten: Kathy Jetñil-Kijiner von den Marshallin­seln und Aka Niviâna aus Grönland bei „Overground Resistance“im frei_raum Q21.
Unsere Lebensweis­e vernichtet gerade ihre Heimaten: Kathy Jetñil-Kijiner von den Marshallin­seln und Aka Niviâna aus Grönland bei „Overground Resistance“im frei_raum Q21.

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