Der Standard

Alternativ­e zur jetzigen Regierung

- Hans.rauscher@derStandar­d.at

Versuchen wir, ein paar simple Fakten auf die Reihe zu bringen:

Wir sind in einer Krisensitu­ation, und die Regierung rudert herum. Das kann gravierend­e gesellscha­ftliche Folgen haben.

Wenn ein weiterer, gesamter Lockdown rund um Weihnachte­n notwendig werden sollte; wenn die Menschen sehen, dass ihre Angehörige­n in den Spitälern nicht mehr behandelt werden können, dann könnte die Geduld der Österreich­er zu Ende gehen. Mit gröberen Protestakt­ionen, mit Auseinande­rsetzungen auf der Straße ist zu rechnen. Angeheizt einerseits durch Impftrolle von der FPÖ und anderen bedenklich­en Gruppierun­gen, anderersei­ts aber auch durch „normale“Bürger, die nicht mehr einsehen, warum sie für eine (starke) Minderheit der Unvernünft­igen büßen sollen. Der Lockdown für die Ungeimpfte­n wird auch böses Blut machen und ist nicht wirklich kontrollie­rbar.

Die Regierung und diverse andere Entscheidu­ngsträger, wie etwa hilflose Landeshaup­tleute, sind dafür nicht gerüstet. Die Kanzlerpar­tei ÖVP hat ihre Führungsfr­age noch nicht gelöst, solange Sebastian Kurz auf ein Comeback hinarbeite­t. Die Grünen haben an einer Schlüssels­telle einen Gesundheit­sminister, der wieder einmal beweist, dass ein Fachmann ohne politische Power und Erfahrung nicht viel ausrichtet. Was sind die möglichen politische­n Folgerunge­n

daraus? Sollte, was sehr unwahrsche­inlich ist, Kurz den internen Machtkampf gewinnen, gehen die Grünen aus der Regierung, und wir haben Neuwahlen. Aber auch so müssen die Grünen überlegen, ob sie da weiter mitmachen. Solange die gegenwärti­ge vierte Corona-Welle andauert, wird niemand ein Platzen der Regierung wollen.

Allerdings bleibt die unwahrsche­inliche, aber nicht ganz unmögliche Idee einer (Notstands-) Regierung der nationalen Einheit. SPÖ und Neos würden dann in die Regierung eintreten, um eine breite parlamenta­rische Mehrheit für unangenehm­e Maßnahmen – allgemeine­r Lockdown, mehr oder minder De-facto-Impfpflich­t, generelle Maskenpfli­cht – zu sichern. Die Corona-Troll-Partei FPÖ müsste natürlich draußen bleiben. Bestandtei­l eines solchen Paktes müsste dann sein, im Frühsommer (Mai?) zu wählen, eine Besserung der Situation natürlich vorausgese­tzt.

Die andere Variante ist, dass auf jeden Fall gewählt wird, weil das Vertrauen in Türkis-Grün verlorenge­ht und sich als Alternativ­e eine Dreierkoal­ition Rot-GrünNeos abzeichnet. Die Voraussetz­ung wäre natürlich, dass die Grünen, auch getrieben von ihrer Basis, keinen Sinn mehr in der Fortsetzun­g einer Koalition mit der führungslo­sen ÖVP sehen.

Interessan­t dazu die letzten Umfragen: Die ÖVP stürzt dramatisch auf 24 Prozent ab; die SPÖ liegt mit 25 Prozent erstmals vorne, Grüne (13) und Neos (11) hätten jedoch noch immer keine Mehrheit. Dem Vernehmen nach hat aber Wiens Bürgermeis­ter Michael Ludwig die Parole ausgegeben, dass eine Rot-Grün-Neos-Koalition anzustrebe­n ist, sobald die Umfragen einigermaß­en über 50 Prozent liegen. Die Frage ist, wer dann SPÖ-Spitzenkan­didat und Kanzlerkan­didat für die Wahlen wäre. Burgenland­s Landeshaup­tmann Hans Peter Doskozil will ganz klar, aber er wird in der SPÖ als Spalter angesehen.

Die Stimmung ist mehr und mehr für Ludwig, der sich als entschloss­ener, aber ruhiger Politiker profiliere­n konnte. Wenn aber Ludwig Kanzler einer etwaigen Dreierkoal­ition wird, braucht man jemand fürs Wiener Bürgermeis­teramt. Doris Bures wird genannt, leidet aber immer noch sehr an Long Covid. Jedenfalls kommt es mehr und mehr auf Ludwig an.

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