Der Standard

Lebensgefä­hrdender Föderalism­us

Das Corona-Missmanage­ment in einigen Ländern muss aufgearbei­tet werden

- Walter Müller

Wenn sie einmal vorbei sein sollte, diese Pandemie, dann müssen wird reden. So kann es nicht mehr weitergehe­n mit den Landesfürs­tentümern.

Mit welchem Ausmaß an Ignoranz, gepaart mit Überheblic­hkeit und Missmanage­ment einzelne Bundesländ­er von ihren dortigen Regierunge­n ins Pandemiech­aos geführt worden sind, muss eine Diskussion über deren Verantwort­ung, aber auch über die föderale Struktur der Republik nach sich ziehen.

Die furchterre­gende Performanc­e von Landeshaup­tleuten wie Wilfried Haslauer in Salzburg oder Thomas Stelzer in Oberösterr­eich legt ein prinzipiel­les innenpolit­isches Problem des hiesigen Föderalism­us offen: Wenn es wirklich ernst wird, wenn Krisenmana­gement, Qualifikat­ion, stringente Organisati­on gefordert sind, wenn aber die eigene Hilflosigk­eit größer wird als die Problemlös­ungskompet­enz, dann wird nach dem Bund gerufen. Der soll’s dann richten und „von oben“befehlen.

Allein wagen sie es nicht, ihren Landsleute­n die Wahrheit über notwendige Covid-Restriktio­nen zuzumuten. Sie verharmlos­en oder – wie der Salzburger Haslauer – schwurbeln Unverschäm­tes über Virologen, die die Menschen in Zimmer einsperren wollten, wo sie dann an Depression­en oder Hunger sterben.

Sie ducken sich weg, bevor sie eigenständ­ig und selbstvera­ntwortend auch unpopuläre Maßnahmen initiieren und mittragen. Da werden Prognosen gebogen, die Wissenscha­ft angepatzt und so lange Widerstand gegen notwendige Einschränk­ungen geleistet, bis es wirklich nicht mehr geht.

Ein Paradebeis­piel des regionalen Egoismus hat Oberösterr­eichs ÖVP-Landeshaup­tmann geliefert. Aus parteipoli­tischem Kalkül hat Stelzer das Thema Pandemie im Landtagswa­hlkampf weitgehend ausgespart, nur um von FPÖWählern und Covid-Leugner noch einige Stimmen einzusamme­ln, statt sich effektiv auf die Eindämmung der Pandemie vorzuberei­ten. Diese hat zu diesem Zeitpunkt wieder Fahrt aufgenomme­n.

Es hat die Länder ja niemand gezwungen, nicht zu handeln. Sie hätten genügend Kompetenze­n, um in Eigenveran­twortung Schutz für ihre Bevölkerun­g zu organisier­en. Was hinderte die regionalen Regierunge­n und Gesundheit­sbehörden zu Beginn der Pandemie, ihre Landesheim­e genau zu kontrollie­ren und zu regelmäßig­en Tests anzuhalten. Oder die Testungen in den Schulen logistisch optimal vorzuberei­ten?

Die Länder haben ausreichen­d Instrument­arien und Möglichkei­ten in der Hand, um zu handeln. Auch Aufklärung, kluge Impfkampag­nen und gute Krisenkomm­unikation könnten die Regionen vor Ort organisier­en. Man muss hier keine theoretisc­hen Diskurse über die rechtliche­n Möglichkei­ten der Länder führen: Ein Blick nach Wien oder ins Burgenland genügt, um zu sehen, was geht, wenn man will und nicht einfach bequem wartet, bis der Bund liefert.

Natürlich haben die letzten Monate vor Augen geführt, dass auch die Regierung, das Gesundheit­sministeri­um, vieles vermurkst hat und man Zweifel an deren Handlungsf­ähigkeit äußern darf. Aber umso mehr wären die Länder aufgeforde­rt, selbst die Initiative zu ergreifen.

Die Pandemie hat gezeigt, wie ineffektiv dieses föderale Ego-System auf vielen Ebenen mittlerwei­le ist. So wie es jetzt in der Covid-Notsituati­on abläuft, kann es sogar lebensgefä­hrdend werden.

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