Der Standard

Alte Meister im Salon

Die Sammlung des Industriel­len Julius Priester und seiner Ehefrau wurde von den NS-Behörden enteignet. Manches bekam die Familie zurück, anderes blieb verscholle­n.

- Olga Kronsteine­r

Die Ausstattun­g der Wohnung in dem 1883 erbauten und bis heute erhaltenen Gebäude in der Ebendorfer­straße im ersten Wiener Gemeindebe­zirk mag die Beamten, die hier im November 1938 einige Kunstwerke beschlagna­hmten, beeindruck­t haben. Die Räume waren mit Antiquität­en gefüllt, mit historisch­em Mobiliar, antiken Teppichen, die Vitrinen voll mit Silbergege­nständen, an den Wänden wertvolle Tapisserie­n und eine Vielzahl von Gemälden, mehrheitli­ch von Alten Meistern, da und dort auch von solchen des 19. Jahrhunder­ts.

Davon zeugen alte Schwarz-Weiß-Fotos, die sich in einem Akt im Archiv des Bundesdenk­malamtes (BDA) erhalten haben, der die Geschichte der Sammlung von Julius und Camilla Priester auszugswei­se dokumentie­rt: vom Zeitpunkt der Beschlagna­hmungen in den Monaten nach dem „Anschluss“über die Suche und teilweise Auffindung von Kunstwerke­n nach dem Zweiten Weltkrieg, vereinzelt­en Rückgaben an die Familie bis hin zur öffentlich­en Fahndung in den 1950er-Jahren.

Den Fall des Industriel­len Julius Priester und seiner Frau Camilla beleuchtet­e Provenienz­forscherin Sophie Lillie erstmals vor fast 20 Jahren in ihrer Publikatio­n Was einmal war (Czernin-Verlag, 2003), dem Handbuch der enteignete­n Kunstsamml­ungen Wiens. Demnach hatte Priester, 1870 im böhmischen Wolschy geboren, eine ihm gehörende Mineralölg­esellschaf­t in den frühen 1920er-Jahren verkauft und mit dem Erlös eine Kunstsamml­ung aufzubauen begonnen. Eine Ambition, die mit der Machtergre­ifung der Nationalso­zialisten jäh endete.

„Ein schwaches Bild …“

In der für Personen jüdischer Herkunft verpflicht­enden Vermögensa­nmeldung war die Einrichtun­g der Wohnung 1938 mit 45.000 Reichsmark bewertet worden, davon belief sich allein der Wert der 51 Bilder auf knapp 30.000 Reichsmark (RM). Dazu gehörten ein von El Greco gemaltes Porträt (1000 RM), ein Kirchenint­erieur von Emanuel de Witte (300 RM) sowie das Männerport­rät eines „unbekannte­n flämischen Künstlers“(600 RM).

Die Gemeinsamk­eit des Trios? Diese Werke wurden erst in den vergangene­n Jahren über Vermittlun­g der Commission for Looted Art Europe (CLAE) aus Privatsamm­lungen und aus dem internatio­nalen Kunsthande­l an die Nachfahren von Julius und Camilla restituier­t und werden am 7. Dezember bei Christie’s in London in deren Auftrag versteiger­t.

Das von Domínikos Theotokópo­ulos, genannt „El Greco“, im 17. Jahrhunder­t geschaffen­e Bildnis eines Herrn soll umgerechne­t zwischen 930.000 und 1,4 Millionen Euro einspielen: Der „sogenannte ,Greco‘“sei „ein schwaches Bild aus der Bassanower­kstatt, dessen Oberhaut weg ist“, lautete einst das Urteil der Direktion des Kunsthisto­rischen Museums (KHM), nachdem man im August 1938 die Sammlung in der Ebendorfer­straße vor der Beschlagna­hme erster Werke der Sammlung Priester besichtigt hatte.

An anderen Werken meldete der Leiter der Gemäldegal­erie in dem Schreiben an die „Zentralste­lle für Denkmalsch­utz“jedoch indirekt aber sehr wohl Interesse an: Das „Männerbild­nis“und das zugehörige Frauenpend­ant von Hans Mielich „im Eckzimmer“seien „zu sperren“, ebenso zwei Aquarelle von Rudolf von Alt, eine Ansicht von Salzburg und ein Schlossint­erieur im „Damenschla­fzimmer“.

Im Bescheid des Wiener Magistrats vom 4. November 1938 scheint neben den genannten Werken zusätzlich ein Porträt von Franz Hals, einen „Mann mit Halskrause“darstellen­d auf. Die Sicherstel­lung erfolgte, um eine drohende „Verschlepp­ung der Kunstgegen­stände“zu verhindern. Priester und seine Frau befanden sich zu diesem Zeitpunkt längst im Ausland. Sie waren Ende März zuerst nach Paris und später nach Mexiko geflüchtet. Ihre Sammlung war von den NSBehörden sukzessive enteignet worden. Im Mai 1939 kam es zu einer weiteren Beschlagna­hme in der Wohnung, der 1944 eine in den Räumlichke­iten der Firma Oskar Föhr folgte, die den Großteil der Einrichtun­g angeblich im Auftrag von Priester eingelager­t hatte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg bemühte sich der Industriel­le um die Auffindung seiner mobilen Vermögensw­erte. Mit bedingtem Erfolg. Die dem KHM zugewiesen­en Werke aus der ersten Beschlagna­hme wurden ebenso wie in Altaussee aufgefunde­ne 1947 restituier­t: insgesamt 14 Gemälde und ein Gobelin. Vieles blieb verschwund­en, manches fand sich: 1948 etwa neun (von ehemals 30) antike Persertepp­iche, 1953 Peter Paul Rubens‘ Mann im Pelzrock bei einem in Fünfhaus

niedergela­ssenen Händler, im gleichen Jahr zwei Werke van Dycks im Besitz eines Hofrates. All das bekam die Familie zurück.

Fahndung 1954

Anderes tauchte erst auf, nachdem Julius 1955 und seine Witwe Camilla 1962 verstorben waren. 1973 etwa bei den Erben Föhrs, die Teile der Sammlung Priester unterschla­gen und veräußert haben sollen. Das Greco-Gemälde, das 2015 an die Familie restituier­t wurde,

entdeckte man im Londoner Kunsthande­l. Es war über einen Gestapo-Schätzmeis­ter im Bestand der Galerie St. Lucas gelandet, die es 1952 an ihren 1939 nach New York emigrierte­n einstigen Geschäftsf­ührer Fritz Mondschein verkauft hatte.

Das nun bei Christie’s zur Auktion kommende Bildnis des „Meisters von Frankfurt“, das Kaiser Ferdinand I. zeigen soll, war im Oktober 1995 einem Nachfolger Hans Holbeins zugeschrie­ben im Dorotheum versteiger­t worden. Als es 2006 bei Christie’s in London neuerlich versteiger­t werden sollte, meldeten die von CLAE vertreten Priester-Nachfahren ihre Ansprüche an. 2008 erfolgte die Restitutio­n.

Nach diesem Werk war ebenso wie nach Emanuel de Wittes Kirchenint­erieur 1954 von der Bundespoli­zeidirekti­on Wien gefahndet worden. Gesucht wurden damals 17 Gemälde, die „dem Generaldir.“Julius Priester 1938

„abhandenge­kommen“waren. Das nun auf 590.000 bis 930.000 Euro geschätzte Kirchenint­erieur fand sich in einer österreich­ischen Privatsamm­lung, aus der es 2019 restituier­t wurde. Die Suche nach Werken der Sammlung Priester ist noch nicht beendet, wie eine Anfrage bei der Commission for Looted Art ergab: Mehr als 20 seien noch immer verscholle­n.

 ?? ?? In der Wohnung von Julius und Camilla Priester hing bis 1938 El Grecos Bildnis eines Edelmannes. 2015 wurde das Bild restituier­t, es wird nun in London versteiger­t.
In der Wohnung von Julius und Camilla Priester hing bis 1938 El Grecos Bildnis eines Edelmannes. 2015 wurde das Bild restituier­t, es wird nun in London versteiger­t.

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