Der Standard

Bei mir können Sie in jede Lade schauen

Nach dem Tod ihres Mannes musste Petra Gruber die gemeinsame Wohnung in der Gumpendorf­er Straße zu ihrem eigenen Zuhause machen. Heute hilft sie anderen beim Umgestalte­n nach Wendepunkt­en.

- PROTOKOLL: Franziska Zoidl

„ Mein Mann, der Schauspiel­er Wolfgang Klivana, hat diese 192 Quadratmet­er große Jugendstil-Mietwohnun­g in der Gumpendorf­er Straße vor mehr als 30 Jahren mit seiner damaligen Freundin gefunden und komplett saniert. Ich bin 2009 hier eingezogen, und gemeinsam haben wir die Raumauftei­lung verändert. Wo heute das Schlafzimm­er ist, war früher ein Abstellrau­m. In der heutigen Küche war ein Heimkino mit schweren Fauteuils. Aus der ehemaligen Küche wurde ein Garderoben­raum, und aus dem Schlafzimm­er mein sonnendurc­hflutetes, rundes Arbeitszim­mer.

Im Februar 2020 ist mein Mann ganz plötzlich gestorben. Dann kam Corona, dann habe ich meinen Job verloren. Es hat also ein bisschen gedauert, bis ich mich gefangen habe. Aber ich erkannte in dieser schweren Zeit, dass ich aus unserer wunderbare­n gemeinsame­n Wohnung jetzt mein eigenes Zuhause machen musste.

Das Umgestalte­n der Wohnung hat etwa acht Monate gedauert. Ich habe in dieser Zeit jeden einzelnen Gegenstand in die Hand genommen und entschiede­n, ob ich ihn behalte oder nicht. Vieles habe ich weggegeben, etwa den stylishen Eisenschre­ibtisch meines Mannes. Er hat Kunst gesammelt und ganz wunderbare Dinge besessen. Aber ich wollte nicht in einem Museum wohnen. Klar, es war auch schwierig, als die aussortier­ten Möbel und Kunstgegen­stände abgeholt wurden.

Mein Mann hat selbst gemalt und viele seiner Werke in Mappen aufbewahrt. Es hängen hier natürlich noch einige meiner Lieblingsb­ilder von ihm. Mehr als 30 andere Bilder habe ich – gegen eine Spende an Licht für die Welt – in unserem Freundeskr­eis verteilt. Jedes Bild hat jemanden glücklich gemacht. Besonders das Wohnzimmer war mit

schwarzen Möbeln aus den 1980er-Jahren eingericht­et, die Farbe mochte ich dann nicht mehr. Den massiven Couchtisch habe ich gegen einen Glastisch ausgetausc­ht, und die Kommoden sind jetzt dunkelrot.

Eines meiner neuen Lieblingss­tücke ist die Mid-Century-Kommode im Esszimmer. Ich habe auf Willhaben lange gesucht und am Ende ein Schnäppche­n gemacht. Der Verkäufer war froh, dass sie bei mir wieder einen geschätzte­n Platz findet. Lustigerwe­ise steht drinnen in einer Ecke der Name einer Möbelfabri­k in der Gumpendorf­er Straße. Ich hab das Möbelstück also zurückgeho­lt. Mittlerwei­le ist die Wohnung eine perfekte Mischung aus Erinnerung­en und meinem persönlich­en Neubeginn. Nur das Badezimmer wird jetzt noch renoviert. Mein Wohntraum wurde mir hier erfüllt – auch von der Lage her. Die Gumpendorf­er Straße war früher, als mein Mann die Wohnung gemietet hat, eine triste, unbelebte Gegend. Heute schaue ich im Sommer vom Balkon runter, sehe zehn Schanigärt­en und fühle mich wie in Italien.

Beim Umgestalte­n der Räume habe ich erlebt, wie stark sich Wohnen auf die seelische Gesundheit auswirkt. Darum habe ich mein Unternehme­n gegründet und unterstütz­e mittlerwei­le als Ordnungsbe­raterin Menschen bei der Umgestaltu­ng ihrer Wohnung. Speziell nach Wendepunkt­en – das kann auch eine Trennung, der Auszug eines Kindes oder die Übersiedlu­ng in ein Altersheim sein.

Wir schauen uns gemeinsam an, was gebraucht wird – und was weg kann. Dafür müssen die Kästen erst einmal ausgeräumt werden. Wir gehen Stück für Stück alles durch. Durch die Netflix-Serie von Marie Kondo wurde das Bewusstsei­n für unseren Job geschaffen. Ausmisten ist anstrengen­d, aber befreiend. Wenn wir fertig sind, sind die Menschen immer glücklich.

Für mich muss Wohnen Leichtigke­it haben. Ich mag nicht nach Dingen suchen, sondern genau wissen, wo was ist. Das ist für mich Lebensqual­ität und fühlt sich fast luxuriös an. Ja, bei mir können Sie in jede Lade und jeden Kasten schauen. Wobei – die Schmucklad­e sollte ich wieder mal aussortier­en.

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Foto: Lisi Specht Petra Gruber lebt seit 2009 in der gemieteten Altbauwohn­ung. Zuletzt hat sie viel verändert.
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 ?? Fotos: Lisi Specht ?? Ihre Wohnung nennt Petra Gruber eine „Mischung aus Erinnerung­en und meinem Neubeginn“. Die Kommode ist eines ihrer Lieblingss­tücke. Das Ölgemälde von Ludwig Drahosch zeigt ihre vor kurzem verstorben­e Hündin Ophelia.
Fotos: Lisi Specht Ihre Wohnung nennt Petra Gruber eine „Mischung aus Erinnerung­en und meinem Neubeginn“. Die Kommode ist eines ihrer Lieblingss­tücke. Das Ölgemälde von Ludwig Drahosch zeigt ihre vor kurzem verstorben­e Hündin Ophelia.
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