Der Standard

Nicht mehr zum Lagern in den Keller gehen

Seit drei Jahren sind bei Wohnprojek­ten in Wien keine Kellerabte­ile mehr vorgeschri­eben. Einige Wohnhäuser sind seither ganz ohne den Stauraum im Untergesch­oß erbaut worden. Aber wohin mit all dem Graffl?

- Franziska Zoidl

Ein Kellerabte­il gehört für viele zum Wohnen dazu. Im Untergesch­oß landet, was in der Wohnung keinen Platz mehr findet. Alte Möbel, die Weihnachts­deko, Fahrräder und Ski finden auf den paar Quadratmet­ern Platz. Vieles wird hier vergessen und beim nächsten Umzug neu entdeckt.

Seit einer Novelle der Wiener Bauordnung 2018 sind solche Einlagerun­gsräume bei Neubauproj­ekten aber nicht mehr vorgeschri­eben, sondern werden nur noch auf freiwillig­er Basis errichtet. Die Branche habe diese Deregulier­ung begrüßt, sagt Hans Jörg Ulreich, Bauträgers­precher in der Wirtschaft­skammer. Nicht nur, weil man sich so besser an der Nachfrage orientiere­n könne. Sondern auch, weil es teilweise baulich schwierig sei, Kellerabte­ile zu errichten.

Aber hat sich die Gesetzesän­derung tatsächlic­h darauf ausgewirkt, was gebaut wird? Das vorweg: Der Großteil der Neubauten wird weiterhin mit Kellerabte­ilen errichtet. Und wenn doch auf einen Keller verzichtet wird, werden dafür oft Lagerräume in höheren Stockwerke­n geschaffen. Doch es gibt Ausnahmen.

Ulreich hat selbst bereits ein Projekt ohne Kellerabte­ile umgesetzt, nämlich das „Space Loft“in der Tauttenhay­ngasse im 15. Bezirk. Die im Bestandsge­bäude ansässige Kfz-Werkstätte benötigt alle Erdgeschoß­und Kellerfläc­hen, „wir konnten gerade noch den Müll- und Heizraum unterbring­en“, erzählt Ulreich. Und weiter: „Mit einer zwingenden Kellerverp­flichtung wäre dieses Nachverdic­htungsproj­ekt gestorben.“Auf Lagerabtei­le wurde also verzichtet, dafür wurde die Werkstätte energetisc­h und lärmschutz­technisch saniert, was den Bewohnerin­nen und Anrainern zugutekomm­e.

Einige Ausreißerp­rojekte

Auch andere Immobilien­entwickler schließen ein Haus ohne Einlagerun­gsräume nicht mehr kategorisc­h aus: „Wir haben in den meisten Projekten noch Kellerabte­ile, aber nicht mehr überall“, sagt Marion Weinberger-Fritz, Geschäftsf­ührerin der Raiffeisen Vorsorge Wohnungs GmbH. Dabei handle es sich aber um „Ausreißerp­rojekte“, bei denen eine Unterkelle­rung schwierig wäre – gerade in Gegenden, die schon sehr dicht verbaut sind.

Für Käuferinne­n und Käufer würden die Abteile aber ohnehin keine große Rolle spielen. Gerade erst sei ein Projekt ohne Keller im zehnten Bezirk an einen Investor verkauft worden, „dem war das egal“, sagt Weinberger-Fritz. Die, die später in den Wohnungen wohnen, seien oft Menschen, „die nicht so viele Dinge haben“, ist sie überzeugt. Häufig handle es sich dabei nämlich um Starter-Wohnungen für junge Menschen.

Der auf Vorsorgewo­hnungen spezialisi­erte Bauträger C&P wiederum plant Kellerabte­ile immer mit – auch weil seine Wohnungen sehr kompakt ausfallen. Manchmal kauft der Entwickler auch bereits baugenehmi­gte Projekte, die also erst errichtet werden müssen.

Diese würden in Wien des Öfteren keinen Keller aufweisen. Solche Projekte werden aber laut Unternehme­nssprecher noch durch einen Umplanungs­prozess geschickt, um einen Keller und die dazugehöri­gen Abteile zu schaffen.

Möglichst große Kellerabte­ile werden auch beim Wiener Bauträger Glorit immer eingeplant, heißt es auf Nachfrage, das werde auch „sehr gut“angenommen.

Kein Fitnesscen­ter

Kein Wunder: Angesichts stetig schrumpfen­der Wohnungen brauchen viele Menschen mehr Stauraum. Davon profitiert auch das Lagerraum-Start-up Storebox, das an mittlerwei­le 120 Standorten im Inund Ausland die Möglichkei­t bietet, ein Abteil zu mieten.

COO Ferdinand Dietrich ist davon überzeugt, dass die Menschen seit Corona nicht weniger, sondern mehr Graffl zu Hause angesammel­t haben, das irgendwo verstaut werden muss.

Das Unternehme­n arbeitet auch mit Bauträgern zusammen, die keinen Keller bauen, für künftige Bewohner aber Lagerfläch­en im Erdgeschoß schaffen wollen. Diese würden für die Abteile in unterschie­dlichen Größen dann einen „Sonderraba­tt“bekommen.

Andenken, „Bücher ohne Ende“, Alltagsgeg­enstände, Fahrräder und die eine oder andere Briefmarke­nsammlung landen laut Dietrich in den Abteilen. Doch es gibt auch Grenzen. „Es kamen schon Leute, die sich in ihrem Abteil ein Fitnesscen­ter einrichten wollten“, erzählt Dietrich. „Alles geht nicht.“

 ?? ?? Ein paar Quadratmet­er Stauraum im Keller gehören für viele dazu – im besten Fall ist das Lager auch noch trocken und leicht zugänglich.
Ein paar Quadratmet­er Stauraum im Keller gehören für viele dazu – im besten Fall ist das Lager auch noch trocken und leicht zugänglich.

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