Der Standard

Händler und Wirte rufen um Hilfe

Umsätze brechen ein, Kosten laufen weiter. Gastronomi­e und Handel fordern Unterstütz­ung. Sorge bereitet vor allem das Personal. Angst geht um, es an andere Branchen zu verlieren.

- Verena Kainrath

Unter den Wirten geht die nackte Angst um. Vor allen in den Wintertour­ismusregio­nen im Westen Österreich­s flatterten die Nerven, sagt Mario Pulker. Der oberste Gastronomi­evertreter erzählt von Stornos am laufenden Band und Betrieben, denen 95 Prozent der Weihnachts­feiern abgesagt wurden.

Viele Gäste solidarisi­erten sich mit den Ungeimpfte­n und verlegten Stammtisch­e in ihre Vereinshäu­ser. Anderen sei das Risiko einer Infektion trotz Impfung derzeit schlicht zu hoch.

Pulker rechnet damit, dass der bundesweit­e Lockdown für Ungeimpfte seine Branche ab Montag bis zu 60 Prozent des Geschäfts kostet. Dass Deutschlan­d Österreich am Sonntag zum Hochrisiko­gebiet erklärte, setze der Krise noch eines drauf: Nichts anderes werde passieren, als dass Urlauber zum Skifahren nach Südtirol oder in die Schweiz auswichen.

Die Liste an geforderte­n Hilfen an die Regierung ist dementspre­chend lang. Umsatzersa­tz werde es für die Gastronomi­e angesichts drohender Überförder­ung zwar keinen mehr spielen, glaubt Pulker. An einem zielgerich­teten Verlusters­atz führe aber kein Weg vorbei. Der Fixkostenz­uschuss und Ausfallsbo­nus gehörten wieder ins Leben gerufen. Es brauche eine Verlängeru­ng der Überbrücku­ngskredite und Steuerstun­dungen für die Sozialvers­icherung.

Und die Mehrwertst­euersenkun­g auf fünf Prozent sei auch 2022 gefragt. Vor allem aber müsse es Wirten möglich sein, Mitarbeite­r sofort ohne Frist in die Kurzarbeit zu schicken. Keiner könne es sich mehr leisten, seine Leute zu kündigen, sagt Pulker. „Sie würden in der Sekunde in andere Branchen wechseln.“

Für den Wiener Cafetier Berndt Querfeld ist dies die größte Gefahr der aktuellen Turbulenze­n. „Der gesamte Arbeitsmar­kt in Tourismus und Gastronomi­e wird durcheinan­dergewirbe­lt.“Und das lasse sich durch keine staatliche Hilfe ausgleiche­n. Ebenso wenig einkalkuli­ert seien die Kosten der Bürokratie rund um Corona-Tests der Kunden und Mitarbeite­r. „Jeder Handwerker hätte schon längst die Grundpausc­hale erhöht. À la longue werden dies auch wir Wirte einpreisen müssen.“

Verbitteru­ng und Unsicherhe­it

Düster ist die Stimmung im Handel. Erfahrunge­n der Händler mit teilweisen Lockdowns in anderen Ländern zeigten, dass die Umsätze um 40 Prozent einbrechen, sagt Rainer Trefelik. Und angesichts verunsiche­rter Konsumente­n werde es dabei nicht bleiben. Der Handelsobm­ann nennt die verquere Lage doppelt bitter. „Das alles hätte sich vermeiden lassen, hätten sich mehr Österreich­er impfen lassen.“Finanziell­e Abfederung sei unabdingba­r. „Die Kunden fehlen, Fixkosten wie die Mieten bleiben. Wir müssen über Umsatzersa­tz reden.“

„Schizophre­nie der Extraklass­e“sieht Trefelik durch die schwierige Sortiments­abgrenzung auf Händler zukommen. Ungeimpfte dürfen in Supermärkt­en und Drogerien weiterhin aus einem reichen Pool an Non-Food-Artikeln schöpfen. Kaufen sie im Fachhandel nebenan, drohen ihnen bei Kontrollen Geldstrafe­n.

Rainer Will, Chef des Handelsver­bands, geht von Umsatzverl­usten von bis zu 350 Millionen Euro pro Woche aus. Er bezweifelt die Wirkung der Restriktio­nen, denn nur 0,1 Prozent der Infektions­fälle seien auf den Handel zurückzufü­hren. Umsatzersa­tz für die Kollateral­schäden sei alternativ­los, denn doppelte Gehälter und das Weihnachts­geschäft stünden an.

Finanzmini­ster Gernot Blümel (ÖVP) stellte am Samstag besonders betroffene­n Betrieben zusätzlich­e Hilfen in Aussicht. Bis Jahresende liefen etwa noch der Verlusters­atz, Garantien und die Kurzarbeit. Längere Unterstütz­ung sicherte zuvor auch Tourismusm­inisterin Elisabeth Köstinger (ÖVP) zu. WKO-Chef Harald Mahrer fordert dabei am Sonntag Tempo ein. Trefelik bereitet dieser Winter jedenfalls mehr Sorgen als der vergangene: Zu lange sitze die Pandemie Unternehme­n schon in den Knochen.

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Kontrollen in der Gastronomi­e häufen sich. Viele Stammtisch­e bleiben leer.

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