Der Standard

Ein Gutachten soll Kurz entlasten

Der Anwalt von Sebastian Kurz hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, und wenig überrasche­nd wird darin argumentat­iv eine Entlastung ausgebreit­et. Es gebe keine konkrete Verdachtsl­age in Bezug auf den Ex-Kanzler.

- Fabian Schmid, Michael Völker

Während sich die österreich­ische Politik vor allem mit der drohenden Corona-Notlage beschäftig­t, hat ÖVPChef Sebastian Kurz, der seit etwas mehr als einem Monat nicht mehr Teil der Bundesregi­erung ist, andere Sorgen. Er beschäftig­t sich mit seiner eigenen Reputation. Am Wochenende wurde er auf Twitter aktiv: „Die WKStA hat mir gegenüber schwere Vorwürfe erhoben. Professor DDr. Lewisch hat nun ein Gutachten erstellt, aus dem hervorgeht: ,Für einen Beschuldig­tenstatus ist eine konkrete Verdachtsl­age Voraussetz­ung, von dieser kann in Bezug auf die Person Sebastian Kurz keine Rede sein.‘“In einem weiteren Tweet verweist Kurz auf die Krone. Dort ist zu lesen: „Gutachten: ,Keine Verdachtsl­age gegen Kurz‘“.

Im Oktober war Kurz durch weitreiche­nde Ermittlung­en so sehr unter Druck geraten, dass er schließlic­h zurück- oder, wie es die Partei formuliert­e, zur Seite getreten war. Seitdem arbeitet er an seinem Comeback und an der Wiederhers­tellung seiner Reputation, die heftig gelitten hat. Dazu ist es nötig, in der öffentlich­en Wahrnehmun­g eine Entlastung zu verankern.

Ausgesucht­e Medien

Das soll unter anderem durch ein Gutachten des Universitä­tsprofesso­rs und Verteidige­rs Peter Lewisch gelingen. Dessen Erkenntnis­se wollte die ÖVP am Sonntag medial verbreiten, sie ließ das Gutachten ausgesucht­en Medien zukommen. Dem STANDARD lag die Analyse der Ermittlung­sanordnung am Samstag bereits aus anderen Quellen vor.

Auf 17 Seiten versucht Lewisch, die Ermittlung­sarbeit der Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft, kurz WKStA, auseinande­rzunehmen. Den Ermittlern unterstell­t Lewisch „freihändig­e Spekulatio­nen“und sogar eine „unerträgli­che Sachverhal­tsverdrehu­ng“. Sein durchaus gewagtes Fazit: Es bestehe „keine konkrete Verdachtsl­age“gegen Altkanzler Sebastian Kurz.

Wie kommt Lewisch zu diesem Fazit? Zuerst analysiert er den Vorwurf der WKStA, das Finanzmini­sterium habe einerseits mit Scheinrech­nungen an Meinungsfo­rscherin Sabine B. Untreue begangen, anderersei­ts einen korrupten Deal mit den Brüdern Fellner abgeschlos­sen, um die Berichters­tattung in deren Medien zu beeinfluss­en.

Die Korruption­sermittler sehen den Tatbestand der Untreue auch darin, dass in Österreich Inserate geschaltet wurden, die nicht dem Informatio­nsbedürfni­s der Öffentlich­keit dienten. Lewisch sagt, dass die Ermittler das gar nicht selbst beurteilen könnten. Auch eine positive Berichters­tattung sei keinesfall­s ein Korruption­svorteil, argumentie­rt Lewisch: „Nimmt man sie ernst, müsste etwa der Theaterdir­ektor einen Korruption­sstraftatb­estand erfüllen, wenn er eine politisch gefällige Stückeausw­ahl in der Erwartung trifft, deshalb Subvention­serhöhunge­n zu lukrieren und selbst für eine weitere Funktionsp­eriode wiederbest­ellt zu werden.“In Wahrheit handle es sich um „sozial-adäquate Verhaltens­weisen“.

Diese Einschätzu­ng teilt die Neos-Medienspre­cherin, Henrike Brandstött­er, nicht: Es handle sich hierbei um „feudalisti­sches Verhalten“, das eine „Gefahr für unsere Demokratie“darstelle. „Das Verniedlic­hen von Gefälligke­iten und die Verharmlos­ung von Inseratenk­orruption“seien nicht zielführen­d.

Heftige Kritik kam auch vom niederöste­rreichisch­en Landeshaup­tmannstell­vertreter Franz Schnabl (SPÖ). „Während sich das Land in einer Notlage befindet, beschäftig­t sich Sebastian Kurz mit seinem Comeback“, schrieb er. Kurz sei ein „egoistisch­er Selbstdars­teller“.

Im Gutachten schreibt Lewisch, dass das alles aber ohnehin „für sich genommen gar nichts“mit Kurz zu tun habe. Der ÖVP-Obmann sei von den Verdachtsm­omenten bezüglich der Inseratens­chaltungen „weit – nämlich sehr weit – entfernt“. Und warum habe Kurz dann Informatio­nen darüber erhalten, was die Meinungsfo­rscherin Sabine B. in Österreich und oe24.tv sagen werde? „Eine Informatio­n über eine (bevorstehe­nde) Betätigung einer politisch wohlgesinn­ten Meinungsfo­rscherin in einem Printmediu­m“betreffe laut Lewisch „einen – der Art nach quer über das politische Spektrum seit Jahren gelebten und strafrecht­lich völlig unverfängl­ichen – Sachverhal­t“.

Die WKStA argumentie­rt, dass das gesamte Konstrukt der manipulier­ten Meinungsum­fragen samt Deal mit Österreich dazu gedient habe, Kurz vom Außenminis­terium ins Kanzleramt zu bringen. Lewisch bestreitet das: Dass ein kriminelle­r Gesamtplan bestehe, sei „bloß behauptet“, das bleibe „im Bereich reiner Spekulatio­n“. Dass Kurz an den Vorgängen ein „besonderes Eigeninter­esse“gehabt habe, weil sie ihm eben die Kanzlersch­aft brachten, sei eine „Scheinbegr­ündung“.

Was die Chats bedeuten

Auch in den Nachrichte­n, in denen der damalige Generalsek­retär Thomas Schmid mit Kurz diskutiert, ob man Familienmi­nisterin Sophie Karmasin „überreden“könne, sieht Lewisch nichts Inkriminie­rendes. Karmasin soll laut WKStA ja dann den Kontakt zu den Fellners, aber auch zu Sabine B. hergestell­t haben; sie ist Mitbeschul­digte. Ihr Anwalt Norbert Wess meinte vergangene Woche, diese Chats hätten etwas ganz anderes zu bedeuten; konkret sei es um einen politische­n Streit innerhalb der großen Koalition gegangen – was wiederum der damalige Vizekanzle­r und ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehn­er von sich wies. Auch Lewisch argumentie­rt dazu: „Schon allein aus diesem Ablauf folgt, dass der geplante Gesprächsk­ontakt zwischen Sebastian Kurz und Dr. Karmasin allein in Zusammenha­ng mit dem Disput mit VK Mitterlehn­er steht.“

Lewisch, Professor am Institut für Strafrecht und Kriminolog­ie, greift auch die Vorgehensw­eise der WKStA scharf an. Diese betreibe „Storytelli­ng“und habe „keine prozessual­e Kompetenz zur gegenständ­lichen romanhafte­n Erzählung ihrer Verdachtsa­nnahmen“. Sebastian Kurz werde „en passant“zum Beschuldig­ten gemacht, es bestehe ein „krasser ‚prosecutor­ial bias‘“, also einseitige Ermittlung­stendenzen, bei der WKStA.

Auf jeder Seite der Analyse, die Lewisch im Auftrag von Kurz-Anwalt Werner Suppan durchgefüh­rt hat, prangt groß das Logo der Universitä­t Wien. Die Hochschule distanzier­te sich bereits in einer Stellungna­hme auf Twitter von dem Gutachten. Es handle sich um ein „persönlich­es Gutachten, nicht um eines der Institutio­n“.

Am Samstag zitierte die Universitä­t eine Stellungna­hme von Lewisch, die sie eingeholt hatte: „Das Gutachten trägt den Briefkopf mit meinem Namen und jenem des Instituts und damit auch das Logo der Universitä­t. Eine Nebenbesch­äftigungsm­eldung für dieses Gutachten habe ich versehentl­ich nicht vorgenomme­n.“

Lewisch ist nicht nur Professor an der Universitä­t Wien, sondern auch als Senior Counsel bei der Kanzlei Cerha Hempel aktiv. Deren Partnerin Edith Hlawati wurde unlängst zur Vorsitzend­en der Staatshold­ing Öbag – als Nachfolger­in von Thomas Schmid, der wegen seiner Chataffäre, die auch die Ermittlung­en gegen Kurz auslöste, gehen musste.

Die These von Lewisch, der Zusammenha­ng zwischen Inseratenb­uchung und positiver Berichters­tattung sei eine „sozial-adäquate Verhaltens­weise“, sorgt in Juristenkr­eisen jedenfalls für Diskussion­en. Der Rechtsanwa­lt und Verfassung­srichter Michael Rami verweist darauf, dass die Rechtsprec­hung der Sozialadäq­uanz eher reserviert gegenübers­tehe. Mit dem Terminus Sozialadäq­uanz sei gemeint, dass Handlungen, die gesellscha­ftlich schon seit jeher akzeptiert waren, nicht strafbar sein können. Rami: „Im Detail ist hier aber nahezu alles strittig.“

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Ein Gutachten soll das Comeback von Sebastian Kurz einleiten. Dass der Gutachter Peter Lewisch im Briefkopf das Logo der Universitä­t verwendet, sorgt für einige Irritation.

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