Der Standard

Die Qualle aus der Pfandflasc­he

Das Kinderstüc­k „Zoes sonderbare Reise durch die Zeit“bezaubert im Wiener Akademieth­eater

- Ronald Pohl

Die Reise zur Plastikins­el bringt jede Wäscherin ins Schleudern. Sie wird spontan angetreten: Zoe (Safira Robens) hat gerade ihre Wäsche in die Trommel gestopft, ausgelasse­n zum PlastikReg­gae schunkelnd. Ihr Abflug? Findet in der Waschmasch­ine statt. Zoes Zukunftstr­ip erfolgt im Takt der Zentrifuge: Die Zeit von 100 Jahren Hauptwasch­gang verfliegt im Nu. Zoes sonderbare Reise durch die Zeit nennt sich Jimmy Osbornes und Sue Buckmaster­s Kinderthea­terstück (ab sechs Jahren).

Man muss – ungeachtet aller Theatralik – von einem flammenden Ökomanifes­t sprechen. Der Grund: Zoes Zielort, an dem Erdtrabant­en in Fischernet­zen schweben (Ausstattun­g: Joanna Parker), ist eine veritable Deponie. In einem wuchernden Acryl- und Polyesterb­erg haust in Gestalt einer Puppe die Inselgötti­n: eine Ohnmachtha­berin, insofern sie auf die Erlösung durch ein Kind angewiesen ist – natürlich unsere Zoe. Links und rechts von ihr hantieren die guten Inselgeist­er (Teele Uustani und Maximilian Tröbinger): Die beiden bilden ein Paar wie Puck und Caliban, die Erste stumm und putzmunter, der Zweite bauchredne­risch begabt. Die vermaledei­te Insel aber gleicht einer Versuchsan­lage für bewusstsei­nsveränder­nde Maßnahmen.

Zwei weitere Gestrandet­e gibt es: eine Tupperware-Lady, die in Gestalt der famosen Dorothee Hartinger das Spukgespen­st aus der Eisenhower-Ära gibt. Ihr zur Seite steht ein Lackel vom Ölbohrturm (Wolfram Rupperti), allzeit bereit für die nächsten hundert Liegestütz­e. Antike Gestalten aus den unseligen Zeiten ungehemmte­r Ressourcen­verschwend­ung; brillante Schauspiel­er, die mit zwei, drei Strichen soziale Typen fest umrissen haben.

In Sue Buckmaster­s Regie wird umweltscho­nend Kinderthea­ter gespielt: Aus einem Einkaufsko­rb und zehn flinken Fingern lassen sich Krebs oder Schildkröt­e basteln. Aus Transparen­tfolie und Haargummi entsteht eine allerliebs­te Qualle.

Irgendwann erlahmt auch Zoes Widerstand: Robens mimt überzeugen­d das bockige oder auch nur zu Tode gelangweil­te Wohlstands­kind, das kraft eigener Erkenntnis zur Aktivistin wird, eine Art Greta Thunberg der aquatische­n Zukunft, die ihrer eigenen Enkelin (!) in Puppenform begegnet und spätestens ab dann weiß: Es ist höchste Zeit.

„Du musst das Ruder herumreiße­n“, spricht dazu die Inselgötti­n. Und die muss es wissen, denn es ist zu diesem Zeitpunkt nicht etwa fünf vor zwölf, sondern schon 17.15 Uhr im Akademieth­eater. Wer jetzt aus dem Theater stolpert und nicht gleich in den Lockdown muss, kann sofort mit dem Müllsammel­n beginnen oder sich „Greenpeace Kids“anschließe­n. Der Schlussapp­ell ist an alle kleinen Zuschauer gerichtet: Der Konsum muss abgebaut werden. „Wollt ihr mir helfen?“, fragt uns Zoe, die künftig weniger Polyester tragen wird. – „Ja“, tönt es aus vielen verblüffte­n Kindermünd­ern. Sehr viel herzerwärm­ender kann man das kindliche Bewusstsei­n nicht anstacheln. Diese Koprodukti­on der Burg mit Theatre-Rites aus Großbritan­nien wirkt kleine Ökowunder.

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Foto: Marcella Ruiz Cruz Zoe (Safira Robens) auf der Insel der Ökothemen.

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